Historie:Der Geist in der Flasche

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Österreichs populärster Rotwein ist nach einem Nazi benannt. Das will eine Künstlerinitiative jetzt ändern.

Von Magdalena PuLz

"Mit jedem Schluck Zweigelt ist man der österreichischen Identität ganz nahe", sagt der Wiener Historiker Robert Streibel. Da könnte etwas dran sein. Keine rote Rebsorte wird, flächenmäßig gesehen, in Österreich so viel angebaut. Wer auch nur einmal einen Wochenendtrip nach Wien oder Ferien in der Steiermark gemacht hat, kennt den Zweigelt. Zusammen mit dem Grünen Veltliner ist der fruchtige Rotwein ein Muss im Heurigen - Österreichs Pendant zum Biergarten. Doch der Zweigelt hat ein Problem.

Das Wort Zweigelt ist nicht etwa eine knuffige Dialekt-Abwandlung des Wortes Zweig. Vielmehr rührt der Name von Friedrich "Fritz" Zweigelt her: einem österreichischen Botaniker, der im Jahr 1922 den Rotwein durch die Kreuzung der Rebsorten St. Laurent und Blaufränkisch geschaffen hatte. Zweigelt war indes nicht nur ein Rebenzüchter, sondern auch ein glühender Anhänger der Nationalsozialisten. Schon 1933, fünf Jahre vor dem "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland, trat Zweigelt in die damals dort sogar verbotene NSDAP ein. Zweigelt wird nachgesagt, ein gewissenloser Karrierist gewesen zu sein, der die nationalsozialistische Ideologie auch in seiner Weinbauschule verbreitete. Nach 1945 wurde Zweigelt für sechs Monate wegen Volksverhetzung eingesperrt. Danach war alles so ziemlich vergessen.

Um dem Mann nicht noch länger Denkmäler in Flaschenform zu setzen, hat die linke Wiener Künstlerinitiative "Institut ohne direkte Eigenschaften" die Aktion "Abgezweigelt" gestartet, mit dem - nicht ganz ernst gemeinten - alternativen Namensvorschlag "Blauer Montag", wie der Montag, an dem man lieber im Bett liegen bleibt, nach einem ausgedehnten Wein-Wochenende. Blauer Montag würde auch passen, weil der Zweigelt mitunter Blauer Zweigelt genannt wird, wohl wegen seiner violetten Färbung.

Dabei wäre "Rotburger" auch ein guter Name, findet Wilhelm Klinger, Geschäftsführer des Unternehmens "Österreich Wein Marketing", einer Servicegesellschaft der österreichischen Weinwirtschaft. So habe der Wein zunächst geheißen, sagte er der Wiener Zeitung. Zweigelt selbst hatte ihn so getauft. Erst 1975, mehr als zehn Jahre nach dessen Tod, erhielt der Wein seinen heutigen Namen - im Zuge der sogenannten Qualitätsweinrebensorten-Verordnung.

Dass Zweigelts Nazi-Karriere damals kein Thema war, muss nicht unbedingt verwundern. Bis in die späten Achtzigerjahre, als der Skandal um die nationalsozialistischen Verstrickungen des damaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim die Republik (und den Rest der Welt) beschäftigte, konnte sich in Österreich der Opfermythos halten: Das kleine Land sah sich nur zu gern lediglich als Opfer des übermächtigen NS-Staates. Eine Aufarbeitung des nationalsozialistischen Erbes war weit entfernt.

Sie ist auch heute nicht abgeschlossen, findet Historiker Robert Streibel. In einem eigenen Buch hat er die Nazi-Vergangenheit österreichischer Winzer zum Thema gemacht. Was den Zweigelt angeht, unterstützt er die Aktion der Künstler. Vielleicht aber sei es gar nicht einmal so wichtig, dass der Name tatsächlich geändert wird. Es gehe vielmehr darum, dass das Land diskutiert.

© SZ vom 13.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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