Im Morgengrauen rückte die Polizei an. In Münster, Dortmund, in Berlin und Bremen. Sie durchsuchten Moscheen und Kulturvereine, in denen sich regelmäßig Anhänger der libanesischen "Partei Gottes", der Hisbollah, treffen sollen. Auch Vorstände der Vereine, die Schatzmeister und sogar deren Steuerberater bekamen am Donnerstagmorgen Besuch von der Polizei. Denn Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die Hisbollah in Deutschland verboten - und zwar jegliche Aktivitäten.
Die 1982 im Libanon gegründete Hisbollah sitzt als Partei im Parlament von Beirut. Sie betreibt Krankenhäuser, Schulen, Pflegeheime, und einen eigenen Fernsehsender. Als "Staat im Staate", so wird die Hisbollah oft bezeichnet. Die Organisation, die von Iran unterstützt wird, besitzt jedoch auch einen militärischen Arm, der sich dem Kampf gegen Israel verschrieben hat und für zahlreiche Terroranschläge verantwortlich gemacht wird. Im syrischen Bürgerkrieg mischt die Hisbollah ebenfalls mit, auf Seiten des Diktators Baschar al-Assad.
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Deutschland, so die Einschätzung der hiesigen Sicherheitsbehörden, ist für die Hisbollah eher ein Rückzugsraum. Hier werden Gelder gesammelt und es wird Propaganda betrieben - gegen Israel, gegen Juden und gegen die USA. Nun hat das Bundesinnenministerium ein Verbot sämtlicher Aktivitäten der Hisbollah gemäß Vereinsgesetz erlassen.
Die schiitisch-islamistische Organisation, so heißt es in der Begründung des Verbots, propagiere den bewaffneten Kampf mit terroristischen Mitteln. Sie richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und lehne das Existenzrecht Israels nicht nur ab, sondern rufe zur gewaltsamen Beseitigung des Staates auf.
Benny Gantz, designierter israelischer Vize-Premierminister, lobte das deutsche Verbot der Hisbollah auf Twitter. Die Entscheidung sei ein "wichtiger Schritt im globalen Kampf gegen den Terrorismus", so Gantz. Auch Israels Außenminister Israel Katz sprach am Donnerstag von einem "wertvollen und wichtigen Schritt im weltweiten Kampf gegen Terrorismus". Katz sagte nach Angaben seines Büros weiter: "Ich möchte der deutschen Regierung meine tiefste Anerkennung für diesen Schritt aussprechen. Ich bin sicher, dass viele Regierungen im Nahen Osten sowie Tausende Opfer des Hisbollah-Terrors sich meinem Dank für diese Entscheidung anschließen."
Das Verbot der Hisbollah war in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert worden. Bereits 2013 hatte die Europäische Union den militärischen Arm der Hisbollah auf eine Terrorliste gesetzt. In vielen Ländern aber - darunter auch in der Bundesrepublik - war der sogenannte zivile Arm der Organisation weiterhin nicht verboten. Ein Umstand, den insbesondere die USA und Israel immer wieder kritisiert hatten.
So forderte der damalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, in einem Gastbeitrag in der Welt im September 2019 ein "vollständiges Verbot" der Hisbollah in der Bundesrepublik. Zwischen dem "politischen und dem militärischen Arm" der Organisation zu unterscheiden, wie die EU es bislang handhabe, sei "künstlich", so Grenell. "Die Hisbollah selbst nimmt keine solche Unterscheidung vor."
Im vergangenen Jahr dann kam auch tatsächlich Bewegung in die Sache. Nach den USA, Kanada, Japan und den Niederlanden stufte schließlich im März 2019 auch Großbritannien die Gesamtorganisation als Terrorgruppe ein und erließ ein Verbot. In Deutschland forderten anschließend Politiker der Unionsparteien, SPD und FDP die Bundesregierung auf, ebenfalls ein Betätigungsverbot gegen die Hisbollah zu erlassen. Ein entsprechender Antrag wurde im Dezember 2019 dann auch vom Bundestag beschlossen - mit der Begründung, der besonderen historischen Verantwortung Deutschland gegenüber Israel.
Die Sicherheitsbehörden - allen voran das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) - trugen daraufhin alle notwendigen Hinweise und Belege zusammen, um Organisationsstrukturen und Unterstützer der Hisbollah in Deutschland zu identifizieren.
In den vergangenen Jahren waren bereits einige Verbote gegen Hisbollah-Unterstützer ergangen
Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass die Hisbollah in Deutschland aktuell über mindestens 1050 Anhänger aus dem extremistischen Spektrum verfügt. Teilweise seien diese Unterstützer in Kultur- und Moscheevereinen organisiert und würden über soziale Netzwerke und Veranstaltungen für die Hisbollah und deren Ziele werben.
Durch "bewusst konspirative Verhaltensweisen und Abschottung" werde ein erkennbarer Bezug zur Terrororganisation allerdings meist vermieden, so heißt es in Sicherheitskreisen. Die Hisbollah wolle nicht auffallen und fürchte den Verfolgungsdruck.
Zu den Vereinen, die laut Bundesinnenministerium die Hisbollah finanziell und propagandistisch unterstützen haben sollen und nun durchsucht wurden, zählen das Imam-Mahdi-Zentrum in Münster, der El-Irschad e. V. in Berlin-Neukölln, die Al-Mustafa-Gemeinschaft in Bremen und die Gemeinschaft libanesischer Emigranten e. V. in Dortmund.
Deren Eingliederung in die Hisbollah sei so eng, heißt es aus Sicherheitskreisen, dass man sie als "Teilorganisationen" betrachte. Als Belege dafür listet der Verfassungsschutz mehrere Postings aus sozialen Netzwerken auf, in denen Vereinsangehörige etwa Symbole der Hisbollah verwenden oder die Organisation, deren Kämpfer oder Führungskader glorifiziert haben sollen.
Aus Sicherheitskreisen heißt es, das nun erfolgte Verbot der Hisbollah solle auch dazu dienen, entsprechende Aktivitäten bei antiisraelischen Aufmärschen durchsetzen zu können. Zum Beispiel bei dem für den 16. Mai geplanten "Al-Quds-Tag" in Berlin. Dabei handelt es sich um einen alljährlichen Protest am Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan, der vom iranischen Revolutionsgründer Ayatollah Khomeini ins Leben gerufen wurde. Bei solchen Versammlungen waren in der Vergangenheit immer wieder Flaggen und Symbole der Hisbollah gezeigt und anti-semitische Parolen skandiert worden.
In den vergangenen Jahren waren bereits einige Verbote gegen Hisbollah-Unterstützer ergangen. Im November 2008 etwa ließ das Innenministerium den Hisbollah-eigenen TV-Sender Al-Manar verbieten, in dessen Sendungen regelmäßig Selbstmordattentate verherrlicht und antisemitische Inhalte verbreitet wurden. 2014 dann wurde der Essener Verein "Waisenkinderprojekt Libanon" verboten, der unter dem Vorwand humanitärer Arbeit viele Millionen Euro Spendengelder an eine libanesische Stiftung transferiert haben soll, die "integraler Bestandteil" der Hisbollah sei.