Hintergrund:"Kalifatsstaat"

Der von Bundesinnenminister Otto Schily verbotene "Kalifatsstaat" ist der Verband des in Köln selbst ernannten Kalifen Metin Kaplan. Er hat rund 1100 Mitglieder bundesweit, davon allein 170 in Bayern.

Bis zu seinem Verbot galt er als eine der radikalsten Islamisten-Organisationen Deutschlands. Verfassungsschützer haben den "Kalifatsstaat" wegen seiner "aggressiven, antisemitischen und demokratiefeindlichen Agitation" schon seit Jahren im Visier.

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Metin Kaplan, der selbst ernannte "Kalif" von Köln.

Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz progapiert die Organisation den gewaltsamen Sturz der türkischen Regierung und die Errichtung eines islamischen Gottesstaates. Als Sitz des Kalifatsstaates wird "bis zur Befreiung Istanbuls" die Domstadt Köln betrachtet.

Kaplan war vom Düsseldorfer Oberlandesgericht im November 2000 wegen öffentlichen Aufrufs zum Mord an einem Rivalen zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Kaplan hatte die islamistische Gruppe "Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden" nach dem Tod seines Vaters - dem "Khomeni von Köln" - 1995 übernommen, gegen den Widerstand seines Kontrahenten Ibrahim Sofu. 1996 forderte Kaplan zum Mord an Sofu auf. Dieser wurde im Mai 1997 in seiner Berliner Wohnung von Unbekannten erschossen.

Als Märtyrer verehrt

Nach Einschätzung der Verfassungsschützer "scheint die Gemeinschaft um Kaplan nach seiner Inhaftierung und Verurteilung noch enger zusammenzurücken". Er werde von seinen Anhängern als Märtyrer verehrt, der für "die Sache Allahs in den Kerker geworfen" worden sei. Alle Mitglieder der Organisation müssten einen Treueschwur ablegen und seien dem Kalifen zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet.

Der Koran-Lehrer Kaplan war 1983 nach Deutschland gekommen. Er genießt Asyl, da ihm in der Türkei die Todesstrafe droht. Er soll über ein Vermögen in Millionenhöhe verfügen. Kaplan hatte in Köln jahrelang Sozialhilfe kassiert, bis zwei Millionen Mark Bargeld bei ihm gefunden worden waren. Der Verband verfügt über eine eigene Wochenzeitung und über eine wöchentlich in der Türkei ausgestrahlte Fernsehsendung. Er nutzt auch das Internet zu Propagandazwecken.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat die Organisation nun verboten. Grundlage für das Verbot war die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz. Diese war nach den Terroranschlägen in den USA mit dem ersten Anti-Terror-Paket der Bundesregierung beschlossen worden.

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