Süddeutsche Zeitung

Hillary Clintons Präsidentschaftskandidatur:Bedingt geeignet

Ist Hillary Clinton die richtige Frau, um erste US-Präsidentin zu werden? Ihre Chancen stehen jedenfalls gut - die größte Gefahr für einen Wahlerfolg ist sie selbst.

Kommentar von Hubert Wetzel

Zu Beginn eine Prognose, vielleicht eine leichtsinnige, aber sei's drum: Die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten heißt Hillary Rodham Clinton. Es gibt aus heutiger Sicht niemanden, der die ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin auf ihrem Weg ins Weiße Haus aufhalten könnte, weder bei den Republikanern und schon gar nicht bei den Demokraten. Hillary Clinton weiß das genau - deshalb tritt sie an.

Man könnte an dieser Stelle ein Caveat einfügen: Es gibt niemanden - außer Hillary Clinton selbst, die eine erstaunliche Fähigkeit besitzt, sich in allerlei echte oder vermeintliche Affären zu verstricken. Aber bisher hat Clinton diese Affären stets überstanden. Die Liste der politischen Widersacher, die sie besiegt und überdauert hat, ist weit länger als die ihrer Skandale. Solange Clinton also im Wahlkampf nicht gerade einem kleinen Kind vor laufender Kamera den Lolli stiehlt oder eine Dummheit von ähnlichem Ausmaß begeht, sollte sie auf der sicheren Seite sein.

Es ist höchste Zeit, das Monopol der Männer zu brechen

Die viel wichtigere Frage lautet: Braucht Amerika Hillary Clinton als Präsidentin? Außer Frage steht, dass Amerika eine Frau im Weißen Haus gut gebrauchen könnte. Es gibt etliche sehr mächtige Frauen in Washington, aber es gab noch nie eine Präsidentin. Barack Obama hat das Monopol der Weißen auf das Präsidentenamt gebrochen. Es ist höchste Zeit, dass auch das Monopol der Männer gebrochen wird.

Gemessen an Clintons politischem Wissen und ihrer Erfahrung sind alle ihre möglichen republikanischen Gegner Grünschnäbel. Doch gerade die Eigenschaften, die Clinton ein Vierteljahrhundert in der Politik haben überleben lassen - ihre Zähigkeit und Wucht als Kämpferin -, wecken zumindest Zweifel daran, ob sie wirklich geeignet ist für das höchste Amt.

Sie kämpft für sich und Bill - und immer auch gegen die böse Welt

Für Hillary Clinton war und ist Politik ein nie endender Kampf - für die gute progressive Sache, gegen die Reaktionäre, aber immer auch für sich und Bill gegen die böse Welt. Wer nicht auf ihrer Seite ist, der ist für Clinton Teil jener "gewaltigen rechten Verschwörung", als deren Opfer sie sich und ihren Mann einst sah - selbst als ihr Mann als Lügner entlarvt war - und heute noch sieht. Diese fast paranoide Weltsicht, in der ein politischer Gegner zu einer finsteren Macht wird, ist angesichts all des Drecks, mit dem die Clintons beworfen wurden, verständlich. Aber kann man so, mit all diesem politischen Ballast, ein Land regieren, dessen Politik und zerrissene Gesellschaft nichts dringender nötig hätten als ein bisschen Vertrauen, Zusammenarbeit und guten Willen? Von Versöhnung will man ja gar nicht mehr reden.

Ja, Amerika war brutal zu den Clintons, aber die Clintons haben Amerika auch viel zugemutet. Doch schuldet das Land deswegen jetzt Hillary Clinton die Präsidentschaft? Man weiß nicht so genau, was diese Kandidatur für Clinton eigentlich ist. Rache? Therapie? Heilung?

Aber vielleicht hat Hillary Clinton all das ja längst hinter sich gelassen. Wenn ja, wird sie nicht nur die erste Präsidentin der USA werden; sondern dazu auch eine gute.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2015
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