Hillary Clinton als Wahlkämpferin:Linksliberale Zeitung nennt Ein-Thema-Kampagne "abscheulich"

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Bedenklich für die Demokraten ist nach Einschätzung des Experten Circuli, dass viele Medien und Experten von einem "Overkill" und "überhitzter Rhetorik" sprechen. So warf die Denver Post, Colorados wichtigste Zeitung, dem 64-jährigen Udall in einem Leitartikel vor, nur über ein Thema zu sprechen: "Diese abscheuliche Kampagne beleidigt Wähler, die überzeugt werden wollen." Offenbar habe er in sechs Jahren als Senator nicht genug erreicht, das er präsentieren könne. Diese Überzeugung gipfelte in der für eine linksliberale Zeitung überraschenden Empfehlung an die Leser, anstelle von Udall lieber Gardner zu wählen - dieser werde in Washington für frischen Wind sorgen.

Für Gardner ist das Plazet der Denver Post ein Geschenk. Doch gerade Wähler, die keiner Partei angehören, denken ähnlich. Auf die Frage, was sie zurzeit beschäftige, nennen sie andere Themen. "Ich bin unzufrieden mit der wirtschaftlichen Lage. Wir normalen Bürger merken nichts vom angeblichen Aufschwung", meint Don, ein ehemaliger Berufssoldat. Der 56-Jährige lebt mit seiner Frau Janine in Colorado Springs, einer konservativen Gegend. Janine ergänzt: "Obama hat kein Konzept in der Außenpolitik. Die Gefahr durch IS ist nicht gebannt und Amerika wird nicht mehr ernst genommen."

Dass Anhänger der Republikaner für Udalls Kampagne nur Spott übrig haben, ist wenig überraschend. Hannah Lott von den College Republicans in Boulder hofft, nun viele Studentinnen davon überzeugen zu können, dass eine Stimme für die Demokraten nichts bringe. Es sei doch anmaßend, zu denken, dass sich Frauen nicht auch für Themen wie Wirtschaft, Sicherheitspolitik oder Bildung interessieren würden, findet die 23-Jährige.

Aus Sicht der Demokraten ist es für einen Kurswechsel in Colorado längst zu spät - und es wird sich erst am Wahlabend zeigen, ob diese riskante Strategie aufgeht. Die demokratischen Anhänger im großen Saal des Radisson-Hotels in Aurora motivieren die vielen Reden, die um den "Krieg gegen Frauen" kreisen. "Niemand soll uns Frauen vorschreiben, wie wir unser Leben leben und was wir mit unseren Körpern machen soll", sagt etwa die 32-jährige Besucherin Alicia.

Natürlich wird vor dem Auftritt des Stargasts Hillary Clinton viel über deren Chancen geredet, 2016 ins Weiße Haus gewählt zu werden. "Ich bewundere sie unendlich und ihre Erfahrung als Außenministerin kann Amerika gut brauchen", sagt die 69 Jahre alte Diedra, eine weitere Besucherin. Clinton ist und bleibt die große Favoritin und Liebling der Demokraten: In den meisten Umfragen liegt sie bei mehr als 60 Prozent. Für sie ist es naheliegend, über Gleichberechtigung und die Hindernisse für Frauen in der amerikanischen Gesellschaft zu sprechen, denn schließlich möchte sie die erste US-Präsidentin werden.

Hillary Clinton spricht über ihre Mutter - und ihre Enkelin Charlotte

Unabhängig davon, wer Colorado künftig im Senat vertritt: Für eine potenzielle Kandidatin ist es nur sinnvoll, möglichst oft in den wahlentscheidenden swing states aufzutreten. Auf die Stimmen und den Enthusiasmus vieler Wählerinnern kann sich die 66-Jährige verlassen. Und wie schon bei einigen anderen Auftritten erzählte sie dem Publikum in Aurora auch von ihrer Enkelin Charlotte. "Wegen ihr denke ich noch mehr darüber nach, wie die Zukunft sein sollte, damit es ihr gutgeht."

Sie selbst sei dankbar, in Amerika geboren zu sein, doch es mache sie traurig, sich daran zu erinnern, dass ihrer Mutter all die Chancen verwehrt blieben, die sie selbst hatte. Persönliche Anekdoten sind Pflichtstoff in amerikanischen Wahlkämpfen, doch Hillary Clinton stellt ihre Familiengeschichte und die Chancen von Mädchen und Frauen in den größeren Kontext der wachsenden sozialen Ungleichheit in den USA, wenn sie ruft: "Niemand sollte einen Präsidenten als Großvater haben müssen, um eine gute Erziehung und eine gute Krankenversicherung zu bekommen."

Dieses Motiv könnte erfolgreicher sein als die recht einseitige Kampagne von Senator Mark Udall in Colorado.

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