Hilfe für Syrien:In Syriens Nachbarländern kippt die Stimmung

Hilfe für Syrien: Eine der größten Flüchtlingscamps der Welt: Im jordanischen Zaatari leben etwa 80 000 Syrer.

Eine der größten Flüchtlingscamps der Welt: Im jordanischen Zaatari leben etwa 80 000 Syrer.

(Foto: AFP)
  • Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte 2015 um 7,2 Milliarden Dollar für Flüchtlinge gebeten - aber gerade einmal 52 Prozent bekommen.
  • "Noch immer sterben Menschen an Hunger oder frieren zu Tode", sagt eine UNHCR-Sprecherin.
  • Länder wie Libanon und die Türkei, die Millionen Flüchtlinge aufgenommen haben, sind an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.

Von Paul-Anton Krüger und Luisa Seeling

Es sind riesige Zahlen. Millionen Menschen, Millionen Schicksale, Millionen Leiden. Millionen Nächte in kalten Zelten, Millionen Tage ohne Frühstück. Es sind Zahlen, die man im Westen schon lange kennt, und auf die man mit ein paar Milliarden Euro reagiert hat. Aber auch mit ein paar Millionen Mal wegschauen.

4 607 686 Syrer sind als Flüchtlinge bei den UN registriert. Das sind so viele Menschen, wie zusammengenommen in Sachsen und Bremen leben. Wahrscheinlich haben deutlich mehr ihr Heimatland verlassen. 6,5 Millionen Menschen sind zudem innerhalb Syriens vertrieben worden, aus ihren Häusern, Städten und Dörfern, mehr als die Bevölkerung von Hessen.

Menschen verhungern und erfrieren

Im vergangenen Jahr hatte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR um 7,2 Milliarden Dollar gebeten, um den Menschen in Syrien zu helfen und jenen, die außer Landes geflohen sind. Davon haben die Helfer nach eigenen Angaben gerade einmal 52 Prozent bekommen. UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wir haben zum Jahresende noch einige Zusagen erhalten, die uns ermöglicht haben, Winterhilfe zu leisten, um zu verhindern, dass Menschen erfrieren." Die Lage habe sich aber nicht grundlegend geändert. Für 2016 rechnen die UN sogar mit einem Bedarf von 8,96 Milliarden Dollar - das ist der Maßstab für die Geberkonferenz an diesem Donnerstag in London.

"Noch immer sterben Menschen an Hunger oder frieren zu Tode", sagt die UNHCR-Sprecherin - weil das Regime in Syrien und in geringerem Umfang auch Rebellen humanitäre Hilfe blockierten. Aber auch in den wichtigsten Aufnahmeländern, der Türkei, Libanon und Jordanien, habe die Unterfinanzierung schlimme Folgen.

"Für viele Flüchtlinge heißt das, dass sie im Winter unter miserablen Bedingungen hausen müssen, schlechte Unterkünfte, durch die Regen und Feuchtigkeit eindringen, dass es nur sehr einfache Infrastruktur gibt." Etwa 90 Prozent leben unter der Armutsgrenze, viele haben Schulden, bei Verwandten, die ihnen Geld für die Flucht geliehen haben, bei Vermietern. In Libanon gibt es keine großen Lager wie in Jordanien, die Menschen müssen sich Unterkünfte selbst beschaffen. Auch in der Türkei leben nur zehn bis 15 Prozent der Flüchtlinge in einem der 25 Lager.

Ein Viertel des Staatshaushalts für Flüchtlingshilfe

Diese Länder sind an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Die Stimmung in Jordanien sei "am Siedepunkt", sagte König Abdallah der BBC. Sein Land beherbergt mehr als eine Million Syrer, schätzt die Regierung. Die UN mussten 2015 allen, die nicht in Lagern leben, die Hilfe streichen. Inzwischen gebe Jordanien 25 Prozent seines Staatshaushalts für Flüchtlingshilfe aus, sagte der König. Bildungs- und Gesundheitssystem seien stark belastet. "Früher oder später droht der Damm zu brechen."

In Libanon ist inzwischen etwa einer von fünf Einwohnern ein Flüchtling aus dem benachbarten Syrien, mehr als eine Million sind offiziell registriert. Kein Land hat relativ zur Bevölkerung mehr Menschen aufgenommen. Die Regierung lehnt es ab, große Lager einzurichten. So leben Syrer, die noch Geld haben, in Wohnungen, die meisten aber hausen in Rohbauten, in Lagerhallen, in aus Plastikplanen und Brettern zusammengezimmerten Unterschlupfen in der Bekaa-Ebene auf 1600 Metern, wo es bitterkalt wird und schneit. Frauen haben darunter besonders zu leiden. Sie seien Vermietern, Arbeitgebern und selbst Polizisten schutzlos ausgeliefert, kritisiert Amnesty International. Viele weibliche Flüchtlinge berichteten, dass ihnen Unterstützung nur als Gegenleistung für sexuelle Dienstleistungen angeboten worden sei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: