Kanada gilt als das gelobte Land der Einwanderungspolitik. Wenn CDU-Generalsekretär Peter Tauber nun darauf drängt, für Einwanderer ein Patensystem einzuführen, dann ist es nicht überraschend, dass ein kanadisches Modell dafür das Vorbild ist: Der hohe Akademikergrad unter den Einwanderern dort und deren hohe Akzeptanz in der Bevölkerung sprechen dafür, dass das Land einiges richtig macht. In Deutschland haben weniger als 30 Prozent der Einwanderer einen Hochschulabschluss und ihre Kinder werden seltener Akademiker als in Kanada.
Aber auch in Kanada sind mehr Einwanderer als Einheimische arbeitslos oder arbeiten in Jobs, die unter ihrer eigentlichen Qualifikation liegen. Um dagegen vorzugehen, setzt die kanadische Regierung seit den Achtzigerjahren auf Mentoren- und Paten-Programme, die Kanadier und Neuankömmlinge zusammenbringen.
Diesen Programmen, die meist auf Gemeindeebene angesiedelt sind, liegt die Überzeugung zu Grunde, dass Integration keine Einbahnstraße ist - auch die Gesellschaft im Aufnahmeland muss sich an die Verhältnisse anpassen, die sich durch Einwanderung ständig wandeln. Im "Immigration and Refugee Protection Act" von 2002, dem kanadischen Gesetz über den Schutz von Flüchtlingen und Einwanderern, ist von "gegenseitigen Verpflichtungen" von Einwanderern und Einheimischen die Rede.
In Projekten wie dem "Host Program" unterstützen einzelne Kanadier oder Familien - meist sind es Studenten und Rentner - die Neu-Kanadier beim Einleben im neuen Land. Sie helfen bei Behördengängen, begleiten die Einwanderer bei Einkäufen oder üben auf Spaziergängen mit ihnen Englisch. Dabei sollen die Paten ein Verständnis für die eingewanderte Kultur entwickeln. Die Einwanderer entwickeln im besten Fall ein Gefühl von Zugehörigkeit zu ihrem neuen Land.
Weil das berufliche Ankommen fast immer im Zentrum von gelungener Integration steht, gibt es in Kanada außerdem verschiedene karriereorientierte Mentorenprogramme. Einwanderungsämter oder Nichtregierungsorganisationen vermitteln Einwanderern, die bereits eine Ausbildung und Berufserfahrung haben, einen Mentor aus dem selbem Fachgebiet. Der ist mal in Kanada geboren, mal selbst ein Einwanderer, der vor längerem ins Land gekommen ist.
Denn meistens hindert nicht fehlendes Fachwissen Einwanderer am Berufseinstieg. Ihnen fehlen Netzwerke, Kontakte und soziales Wissen über das neue Land, dessen Arbeitsmarkt und die Verhältnisse in ihrer eigenen Branche. Der Mentor nimmt den Mentee mit auf Branchenveranstaltungen, stellt ihn oder sie Kollegen vor und vermittelt so Kontakte und Einblicke. Einwanderer, die so gefördert werden, finden besser zu ihren Fähigkeiten passende Stellen und verdienen nach wenigen Jahren mehr als solche Einwanderer, die zwar ähnlich qualifiziert sind, aber keinen Mentor hatten.
Die Ablehnung einer Einbahnstraßen-Integration führt in Kanada auch dazu, dass Schulungen für Arbeitgeber angeboten werden. Sie lernen dabei, sich auf Bewerber mit Migrationshintergrund einzulassen und welche die renommiertesten Universitäten in den Herkunftsländern sind. Sie üben die Einfühlung in einen Bewerber, für den Englisch oder Französisch nicht die Muttersprache ist - und sollen erkennen, dass Bewerbungsmappen ohne sichtbare Herkunftsangaben Vorurteilen entgegenwirken können.