Verschwörungsmythen auf Social Media:Telegram sperrt offenbar Hildmanns Kanäle

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Attila Hildmann, hier bei einer Demonstration in Berlin im Jahr 2020, war auch nach seiner Flucht auf Telegram aktiv. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Seit vergangenem Sommer war der Zugang zu den Telegram-Foren des Verschwörungsideologen auf vielen Smartphones schon blockiert. Jetzt sind sie gar nicht mehr verfügbar.

Von Christoph Koopmann, München

Die Kanäle des Verschwörungsideologen Attila Hildmann auf Telegram sind in Deutschland nicht mehr abrufbar. Offenbar hat der Messengerdienst sie gesperrt. Seit Dienstagabend erhalten Nutzer, die auf die Chats zugreifen möchten, eine Benachrichtigung, dass der Kanal nicht angezeigt werden könne, "weil er gegen lokale Gesetze verstößt". Das Hackerkollektiv Anonymous hatte auf die mutmaßliche Sperrung aufmerksam gemacht.

Bereits seit Juni vergangenen Jahres war Hildmanns Hauptkanal auf Smartphones, auf denen die Telegram-App über die Stores von Apple und Google heruntergeladen worden war, nicht mehr verfügbar. Ob die Store-Betreiber oder Telegram die Sperrung veranlassten, blieb unklar; Google teilte allerdings mit, dass man zu so einem gezielten Vorgehen technisch nicht in der Lage sei.

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Über Telegrams Webversion und die Desktop-App blieb es ohnehin weiter möglich, die Nachrichten zu lesen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hatte der als veganer Koch bekannt gewordene Hildmann dort Corona-Verschwörungsmythen, Hetze gegen Funktionsträger sowie unverhohlenen Judenhass an etwa 100 000 Nutzerinnen und Nutzer verschickt. Seit Februar 2021 wird Hildmann von der Berliner Justiz mit Haftbefehl gesucht. Doch er tauchte ab.

Auch nach seiner Flucht und der Blockade seines Hauptkanals blieb Hildmann bei Telegram aktiv. Schnell tauchten mehrere Ersatzkanäle auf, die Hildmann zugeschrieben werden. Monatelang konnten dort weitgehend ungehindert Falschinformationen über Corona sowie Hass und Hetze geteilt werden - bis jetzt. Laut Recherchen des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie betrifft die aktuelle Sperrung sieben dieser Foren. Doch Fachleute vermuten Hildmann hinter mindestens einem weiteren - ob er noch mehr betreibt, ist unklar. Andere Kanäle, die mit Hildmann nicht unmittelbar zu tun haben, über die aber ebenfalls Corona-Verschwörungen und -Hetze verbreitet werden, waren Mittwochnachmittag nach wie vor verfügbar.

Bundesregierung könnte hohe Strafzahlungen von Telegram verlangen

Für seinen laxen Umgang mit Falschinformationen und Hasspostings wurde Telegram in den vergangenen Monaten scharf kritisiert - ohne Erfolg. Seit Sommer 2021 führt das Bundesministerium der Justiz zwei Verfahren gegen Telegram. Zum einen, weil der Messengerdienst keinen "leicht erkennbaren und unmittelbaren Meldeweg für strafbare Inhalte" habe, zum anderen, weil es keinen Zustellungsbevollmächtigten für Ersuchen deutscher Gerichte gebe - beides Vorschriften des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Wie die SZ am Freitag berichtete, könnte die Bundesregierung deshalb bis zu 55 Millionen Euro Strafzahlungen von Telegram verlangen. Monatelang ließen die Betreiber, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten sitzen, die Forderungen aus Deutschland unbeantwortet. Vergangene Woche kam es immerhin erstmals zu einer Videokonferenz zwischen Vertretern Telegrams und der Bundesregierung. Man wolle nun im Austausch bleiben, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hinterher.

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