Süddeutsche Zeitung

Hildesheim:Vorwürfe gegen früheren Bischof

Der verstorbene Heinrich Maria Janssen soll einen Ministranten sexuell missbraucht haben. Das Bistum stuft die Vorwürfe als "plausibel" ein. Der Betroffene erhielt eine "Anerkennungszahlung".

Der frühere Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen wird des sexuellen Missbrauchs an einem Jungen in den 1950er- und 1960er-Jahren beschuldigt. Das teilte das Bistum in der niedersächsischen Stadt am Freitag unter Verweis auf Vorwürfe des mutmaßlichen Opfers mit. Der eigene Beraterstab zu Fragen des sexuellen Missbrauchs stufe dessen Schilderungen als "plausibel" ein. Der von dem Mann gestellte Antrag auf "Anerkennung des Leids" sei an die Deutsche Bischofskonferenz weitergeleitet worden.

Der mutmaßliche Missbrauch ereignete sich nach den Angaben des Bistums Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre. Janssen war von 1957 bis 1982 Bischof in Hildesheim. Er starb 1988. Hildesheims aktueller Bischof Norbert Trelle sei "bestürzt" darüber, dass einer seiner Vorgänger dem Mann nach dessen Aussage schweres Leid zugefügt habe, hieß es in der Pressemitteilung. Die Vorgänge seien vor etwa einem halben Jahr an das Bistum herangetragen worden, allerdings auf Wunsch des Betroffenen bisher strikt vertraulich behandelt worden. Wegen einer "konkreten Presse-Anfrage" habe man am Freitag dann die Öffentlichkeit informiert.

Der Spiegel hatte zuvor berichtet, der Betroffene habe vom Bistum 10 000 Euro als "Anerkennungszahlung" erhalten, was dieser als "Ablasszahlung" kritisiere. Er verlange die Entfernung Janssens aus der Bischofsgruft im Hildesheimer Dom, schrieb das Magazin. Der Mann sei damals Ministrant gewesen und vom Alter von zehn Jahren an regelmäßig missbraucht worden. Das Bistum gewährte dem Betroffenen nach eigenen Angaben eine "Anerkennungszahlung" auf Empfehlung der zuständigen Koordinierungsstelle der Deutschen Bischofskonferenz. "Der Mann hat daraufhin weitere Geldforderungen gestellt, denen das Bistum nicht entsprochen hat", hieß es weiter.

Der Hildesheimer Bischof Trelle kündigte an, den Fall mit Transparenz aufarbeiten. Das versicherte er in einem Brief, der am Sonntag in den Gottesdiensten verlesen wurde. Der Bischof sagte den von dem Fall erschütterten Gläubigen Unterstützung und Begleitung zu. "Das Leid, das dem Mann nach dessen Aussage zugefügt worden ist, erfüllt mich mit tiefer Trauer", erklärte Trelle in dem Brief. Es ist der erste Fall in Deutschland, in dem sich Missbrauchsvorwürfe gegen einen Bischof richten.

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SZ vom 09.11.2015 / AFP, DPA
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