Hetze im Netz:Teurer Tweet

Renate Künast

Renate Künast freut sich über den Urteilsspruch des Kammergerichts, sagt aber auch: "Ich hoffe auf höchstrichterliche Rechtssprechung."

(Foto: Soeren Stache/dpa)

"Bewusst unvollständig" dargestellt wurde der Sachverhalt laut Gericht. Renate Künast bekommt nun Schadenersatz - vom Bürochef eines AfD-Abgeordneten.

Von Max Hoppenstedt, Berlin

Die grüne Bundestagsabgeordnete und Ex-Ministerin Renate Künast hat vor Gericht einen Teilerfolg gegen Hetz-Posts und irreführende Informationen in sozialen Netzwerken errungen. Der Büroleiter eines AfD-Parlamentariers muss ihr laut einem Urteil des Landgerichts Frankfurt 3000 Euro Schadenersatz wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten bezahlen, weil er auf Twitter ein sinnentstellend gekürztes Zitat Künasts verbreitete.

Vor dem Gericht ging es um einen mehr als 2000-mal geteilten Tweet, den der heutige Büroleiter des Vizechefs der AfD-Bundestagsfraktion, Leif-Erik Holm, im Mai 2015 gepostet hatte. Darin hatte er geschrieben: "Renate Künast 1986 zum Thema Sex mit Kindern: ,Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist.'" Vor Gericht hatte sich der Büroleiter damit verteidigt, dass er in seinem Post einen Artikel der Welt verlinkt hatte, der einen weiteren Kontext beinhaltet habe. Tatsächlich steht in dem Welt-Artikel, dass Künast Kindesmissbrauch weder verharmlost noch gutheißt. Wegen der Zeichenbegrenzung von Twitter habe er dies nicht in den Tweet mit einbeziehen können.

Das Zitat ist ein ergänzender Zwischenruf Künasts bei einer Parlamentsdebatte, bei der es um die Straffreiheit von sexuellen Handlungen an Kindern ging.

Die Richter urteilten, Künasts Aussage werde zwar grundsätzlich korrekt zitiert, der Sachverhalt sei jedoch insgesamt "bewusst unvollständig" dargestellt. Der Tweet sei rechtlich wie eine "unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln", heißt es in der Urteilsbegründung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin beriefen sich die Richter auch auf ein BGH-Urteil von 2006 und ein Urteil des Frankfurter Oberlandesgerichts. In beiden Fällen wurden ebenfalls Aussagen als rechtswidrig verurteilt, weil wichtige Informationen verschwiegen wurden und sich für den Leser ein verzerrter Zusammenhang ergab.

In dem Tweet wurde Künast auch als "abartige Person" bezeichnet. Dies ist aber laut Gericht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Er prüfe eine Berufung, sagte der Büroleiter. Sein Chef nahm keine Stellung: "Herr Holm äußert sich grundsätzlich nicht zu Privatangelegenheiten seiner Mitarbeiter", so dessen Büro.

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