Süddeutsche Zeitung

Hessens Innenminister unter Verdacht:Huren gegen Höllenengel

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Ein Rundgang im Rotlichtviertel, ein dubioser Reporter und ein Innenminister, der gute Kontakte zu den Hells Angels haben soll - das klingt nach einem hübschen Polit-Skandal. Der hessische CDU-Politiker Boris Rhein muss sich nach einem Besuch im Frankfurter Bahnhofsviertel gegen schwere Vorwürfe wehren. Tatsächlich aber wird man ihm allenfalls vorhalten können, dass er zu viel "Bild"-Zeitung gelesen hat.

Marc Widmann, Frankfurt

Oh Hessen, Du Land der Skandälchen! In kaum einem anderen Bundesland wird mit derartiger Hingabe versucht, Politikern Übelstes zu unterstellen. Diesmal hat es Innenminister Boris Rhein (CDU) erwischt. Er habe womöglich Kontakte zu den Hells Angels ins Rotlichtmilieu, schreibt ein großes Nachrichtenmagazin diese Woche. Tatsächlich aber geht die Geschichte anders: Am Ende kann man dem Minister allenfalls vorhalten, dass er es mit der Lektüre der Bild-Zeitung übertrieben hat.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich der 39-jährige Rhein für den Posten des Frankfurter Oberbürgermeisters warmläuft, die Wahl ist in zwei Jahren. Also war er alarmiert, als die örtliche Bild-Ausgabe im März 2010 mal wieder über angebliche "Horror-Zustände" im Frankfurter Bahnhofsviertel berichtete: über 15-jährige rumänische Straßenhuren, über Kinder, die "mitten im Herzen Frankfurts ihre Körper verkaufen!"

Boris Rhein, CDU-Chef der Stadt und damals noch Staatssekretär im Innenministerium, hielt es für notwendig, alsbald auf diese Artikel zu reagieren, so wie er generell oft auf Zeitungsartikel reagiert. Wenige Tage später inspizierte er in Begleitung des Bild-Reporters den angeblich so düstren Ort. Dabei begegnete er wie zufällig auch einem Bordellbetreiber, der sein Leid klagte: wie katastrophal diese Straßenhuren doch seien für alle, die ihr Bordell ehrenwert führten. Rhein verkündete, man werde dem illegalen Treiben "die Wurzeln abschlagen".

Nach allem, was der Minister heute weiß, hätte er sich den Rundgang wohl besser gespart. Denn der jammernde Bordellchef gehört nach heutigen Erkenntnissen zur Rockergruppe Hells Angels, die zahlreiche Häuser um den Frankfurter Bahnhof kontrolliert. Und der Bild-Reporter, der Rheins Visite im Rotlichtbezirk anstieß, war vielleicht nicht ganz so neutral, wie es Journalisten sein sollten. In den vergangenen Monaten habe der Reporter mindestens drei Mal in der Pressestelle des hessischen Innenministeriums angefragt, ob sich Rhein mit führenden Köpfen der Hells Angels treffen wolle, so berichten es Mitarbeiter des Hauses.

Das legt den Verdacht nahe, dass der Journalist zumindest als Vermittler für die zwielichtige Rockergruppe aktiv war. Im Ministerium fragt man sich seither, ob Rheins kurzes Gespräch mit dem Bordellchef wirklich ganz zufällig entstand - oder arrangiert war. Die Axel-Springer-AG, zu der die Bild-Zeitung gehört, erklärt auf Anfrage, ihren Mitarbeiter verbinde mit den Hells Angels "ausschließlich, dass er als Lokal-Reporter auch über diesen Problembereich berichtet". Spekulationen über weiterreichende Verbindungen seien "absurd".

Straßenhuren sind unliebsame Konkurrenz

Für die Frankfurter Hells Angels waren die Straßenhuren jedenfalls eine unliebsame Konkurrenz. In abgehörten Telefonaten vom November 2010 freuen sie sich über Rheins Rundgang: "Wir hatten hier mal ein großes Problem mit diesen Rumänen-Weibern bei uns auf der Straße", sagt ein führender Höllenengel zu einem Kompagnon. "Da war er (Rhein) bereit, er kam sogar mit uns ins Viertel und hat mit uns gesprochen." Während das Land Hessen inzwischen ein Verbot der Hells Angels prüft, könnte man doch noch einmal mit dem leutseligen Minister reden: "Ich habe da jemanden, der spricht mit ihm", verkündete der Rocker. Bald darauf fragte der Bild-Mann offenkundig im Ministerium an.

Boris Rhein wirkt entsetzt über die Behauptung, er habe Kontakte ins Milieu. Tatsächlich habe er alle Anfragen aus dieser Richtung sofort abgelehnt. "Ein Innenminister spricht nicht mit Hells Angels, das ist völlig unvorstellbar", sagt er. So bleibt als Irritation allenfalls, dass Rhein ein Verbot der Hells Angels bis heute nicht unterschrieben hat, obwohl ihm angeblich seit einigen Wochen ein Entwurf dazu vorliegt. Dazu äußert sich der Minister nicht. Aus seinem Haus ist aber zu hören, dass die Ermittlungen gegen die Rockertruppe noch nicht abgeschlossen seien. Ein voreiliges Verbot, das von Gerichten wenig später wieder einkassiert wird, wäre zur Abwechslung ein echtes Problem für den Innenminister.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2011
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