Wahl in Hessen:"Die Union befindet sich in einem Schraubstock"

Oberb¸rgermeisterin Roth gibt Amt vorzeitig auf; Petra Roth

"Es sind keine spezifisch hessischen Ergebnisse": CDU-Politikerin Petra Roth.

(Foto: dpa)

Die ehemalige Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth, war einst Pionierin von Schwarz-Grün. Ein Gespräch über Verantwortung, Protestwähler - und Mitleid mit der SPD.

Interview von Lars Langenau

Die CDU-Politikerin Petra Roth, 74, war von 1995 bis 2012 Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main und mehrfach Präsidentin des Deutschen Städtetages. Als Landtagsabgeordnete trat sie 1995 auf Bitte des damaligen Kanzlers Helmut Kohl gegen Oberbürgermeister Andreas von Schoeler, SPD, an - und gewann. Sie gilt als Pionierin von Schwarz-Grün und stand einer der ersten Koalitionen von Christdemokraten und Grünen in einer deutschen Großstadt vor.

SZ: Verluste von fast elf Prozentpunkten. Das schlechteste Ergebnis seit 1966. Trotzdem freute sich Ihr Parteifreund Ministerpräsident Volker Bouffier am Wahlabend. Teilen Sie seine Freude?

Petra Roth: Selbstverständlich. Ein Wahlergebnis nach den Verlusten zu analysieren ist nicht richtig, wenn die Regierungsverantwortung bleibt und die CDU mit Juniorpartner weiterregieren kann. Die Verluste sind in allen Bundesländern, in denen jüngst Wahlen stattgefunden haben, zu verzeichnen gewesen. Es sind somit keine spezifisch hessischen Ergebnisse. Die Wahlfreiheit lässt natürlich auch für den Wähler zu, seine Meinung über Bande zu äußern.

Wer trägt die Verantwortung für die Verluste?

Die Spitzenkandidaten der Parteien. Aber nochmal: In Hessen wurde die CDU als stärkste Partei bestätigt. Kritik muss man sich allerdings anhören und es muss auch zu einer offenen Aussprache kommen.

Reden Sie jetzt von der Hessen-CDU oder der Bundespartei?

Wenn die Hälfte der Wähler in Hessen sagt, dass sie über die schlechte Bundespolitik abgestimmt hat, dann reden wir auch von der Bundesregierung, die dieses Ergebnis verursacht hat. Es gibt allerdings große Unterschiede in der Union. Als ehemalige Vorsitzende der Frankfurter CDU habe ich auf einen liberalen Kurs gesetzt und Volker Bouffier hat genau das auch für das ganze Bundesland gemacht. Trotzdem sind wir nur bei 27 Prozent gelandet.

CSU-Chef Horst Seehofer nannte das die "Sandwich-Position" seiner Partei, da die Union in Bayern gleich viele Wähler an die Grünen als auch an die AfD abgeben hat. In Hessen war das nicht anders, trotz eines liberalen Kurses der Union.

Ich sage lieber: Die Union befindet sich in einem Schraubstock. Und das nicht nur zwischen liberalen und eher rechtskonservativen Positionen. Zudem müssen wir für unser Bundesland Politik machen und bekommen gleichzeitig den Druck aus Berlin und Europa.

Kann die CDU die Stimmen von der AfD wieder zurückholen?

Der überwiegende Teil dieser Stimmen ist Ausdruck von Protest. Früher gab es diese Proteststimmen in dieser Größenordnung nicht, da hat man versucht, die eigene Partei von seinen Positionen zu überzeugen. Heute haben wir dieses Phänomen des Populismus aber überall in Europa und wir müssen demokratische Antworten darauf finden.

Haben Sie Mitleid mit der Sozialdemokratie?

Ich bedaure es sehr, dass die SPD absolut unter dem Wert dieser traditionsreichen Partei derzeit in Wahlen unterbewertet wird. Und es würde fehlen, wenn auf der Grundlage sozialdemokratischer Werte keine Politik mehr gemacht wird. Ähnlich ist es bei uns: In unserem Grundsatzprogramm von 1948 steht viel mehr drin als das Schlagwort Soziale Marktwirtschaft. Da steht auch drin: Eigentum verpflichtet - und das kann die Grundlage unserer Politik sein. Auch eine von der CDU geführte Bundesregierung hat sich dieser Prämisse unterzuordnen.

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