Süddeutsche Zeitung

Hessen: Verfahren gegen Jürgen Walter:Walters Auszeit verlängert

Der hessische SPD-Politiker Jürgen Walter soll nach SZ-Informationen weiterhin für zwei Jahre mit einem parteiinternen Funktionsverbot belegt werden. Walter selbst zeigt sich uneinsichtig.

Christoph Hickmann, Frankfurt

Der ehemalige hessische SPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Walter soll weiterhin mit einem zweijährigen parteiinternen Funktionsverbot belegt werden.

Die Schiedskommission des SPD-Bezirks Hessen-Süd wies die Berufung Walters gegen die Entscheidung einer Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Wetterau aus dem März zurück.

Demnach soll Walter zwei Jahre lang lediglich sein Antrags- und Stimmrecht in der Mitgliederversammlung seines Ortsvereins wahrnehmen dürfen, abgesehen davon sollen seine Rechte aus der Mitgliedschaft ruhen. Allerdings legt die Schiedskommission des Bezirks in ihrer der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Entscheidung der Partei zumindest indirekt weitere Sanktionen gegen Walter nahe. Walter steht nun der Gang vor die Bundesschiedskommission als letzter parteiinterner Instanz offen.

Er hatte Anfang November mit den damaligen Landtagsabgeordneten Carmen Everts, Silke Tesch und Dagmar Metzger erklärt, der damaligen SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti die Stimme zu verweigern, sollte diese sich als Ministerpräsidentin zur Wahl stellen. Damit hatten sie eine rot-grüne Minderheitsregierung verhindert. Mehrere SPD-Ortsvereine sowie der Parteibezirk Hessen-Süd hatten daraufhin ein Parteiordnungsverfahren gegen Walter beantragt, um ihn aus der SPD auszuschließen.

"Grob illoyales Verhalten"

In der am Montag unterzeichneten Entscheidung unterscheidet die Schiedskommission des Bezirks Hessen-Süd wie bereits die Vorinstanz zwischen Walters Rolle als Abgeordneter und seiner Rolle innerhalb der SPD: "Es geht hier nicht um die Ausübung des freien Mandats", sondern ausschließlich um Walters Verhalten als "führendes Parteimitglied", heißt es in der Begründung.

Als stellvertretender Landesvorsitzender habe er "wochenlang entscheidend" mit den Grünen über eine Koalition verhandelt, "wobei von Anfang an klar war, dass eine Wahl der Genossin Ypsilanti zur Ministerpräsidentin nur mit Hilfe der Partei Die Linke möglich war". Er habe "durch sein grob illoyales Verhalten der Partei schweren Schaden zugefügt".

Ob das Funktionsverbot gegen Walter "angesichts der gravierenden Verstöße ausreichend und angemessen ist", könne "dahingestellt bleiben". Ein Parteiausschluss aber sei nicht in Betracht gekommen, weil nur Walter Berufung eingelegt und somit das Verschlechterungsverbot gegolten habe, man also keine härteren Sanktionen habe verhängen dürfen als die Vorinstanz.

In der Entscheidung heißt es weiter, "das mindeste", was man von Walter hätte verlangen können, "wäre eine entsprechende persönliche Erklärung an die Landes- und Fraktionsvorsitzende oder eine hinreichend deutliche Erklärung auf dem Landesparteitag am 1. November 2008 gewesen". Stattdessen habe Walter "durch ein persönliches 'Sich-in-Szene-setzen'" bei Medienauftritten mit den drei anderen Abgeordneten die Krise der Partei vertieft.

Ihm habe klar sein müssen, dass ihre Entscheidung Neuwahlen auslösen würde - mit einem entsprechend schlechten SPD-Ergebnis. "Im Übrigen ist er heute noch nicht bereit, sein Verhalten mit Anstand zu reflektieren", so die Schiedskommission. Dies zeigten seine "fortwährende Herabwürdigung anderer Parteimitglieder und der Partei insgesamt sowie seine beleidigenden Äußerungen anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2008 gegenüber den Mitgliedern der Schiedskommission".

Walter und sein Anwalt Mathias Metzger, Ehemann von Dagmar Metzger, hatten die Sitzung unter Protest verlassen. Die Schiedskommission unter Vorsitz des Frankfurter Oberstaatsanwalts Hubert Harth hatte es abgelehnt, den aus der SPD ausgetretenen Metzger als Walters Rechtsbeistand zuzulassen, weil dieser nicht, wie in der Satzung vorgeschrieben, Parteimitglied ist.

Walter hatte die Verhandlung daraufhin vor der Presse mit den "Moskauer Prozessen" unter dem sowjetischen Diktator Stalin verglichen und gesagt, die Schiedskommission erinnere ihn an den iranischen "Wächterrat". Als Rechtsanwalt, so die Kommission, müsste Walter klar sein, "dass diese Äußerungen strafrechtliche Konsequenzen haben können".

Walters öffentliche Äußerungen seien aber nicht Gegenstand der Entscheidung gewesen, da die Schiedskommission während der laufenden Verhandlung nicht mehr von ihnen erfahren habe. "Ob die Partei hieraus weitere Konsequenzen zieht, bleibt den zuständigen Gremien vorbehalten", so die Schiedskommission.

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