Hessen:Schwarz-Grün verteidigt knapp die Mehrheit

Bei der Wahl in Hessen müssen CDU und SPD zweistellige Verluste hinnehmen. Die Grünen triumphieren und erreichen ihr bestes Ergebnis in dem Bundesland. AfD, Linke und FDP im Landtag.

Von Robert Probst

CDU und SPD haben bei der Landtagswahl in Hessen herbe Verluste hinnehmen müssen. Die CDU sackte dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge von 38,3 Prozent auf 27 Prozent ab; das ist ihr schlechtestes Ergebnis seit 1966. Dennoch ist sie weiter stärkste Kraft in Wiesbaden - und wird erneut den Regierungschef stellen. Die CDU kann - mit einer hauchdünnen Mehrheit - auch die Koalition mit den Grünen fortsetzen; Schwarz-Grün erreicht exakt die für die absolute Mehrheit nötigen 69 Sitze.

Die SPD kam nur noch auf 19,8 Prozent, nach 30,7 Prozent im Jahr 2013; das ist das schlechteste Resultat seit 1946. Landespolitiker der beiden Verlierer-Parteien waren sich bei der Ergebnisanalyse einig: Die Verantwortung für das Desaster ist vor allem bei der großen Koalition in Berlin zu suchen.

Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte, seine Partei habe "schmerzliche Verluste erlitten, das macht uns demütig, das nehmen wir ernst". Aus Berlin sei sehr viel Gegenwind gekommen, "die bundespolitische Kulisse hat durchgeschlagen". Bouffiers Fazit: Die Menschen wünschten sich weniger Streit, sondern "mehr Sachorientierung und mehr Lösung". Auch SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel sprach von einem "schweren und bitteren Abend". Und fügte hinzu: "Wir haben nicht nur keinen Rückenwind aus Berlin erhalten, sondern wir hatten regelmäßig Sturmböen im Gesicht." Seine eigene Zukunft ließ Schäfer-Gümbel offen. Er sei niemand, der aus Verantwortung fliehe, sagte er im ZDF.

Großer Gewinner der Wahl sind die Grünen, die ihr Ergebnis von 2013 (11,1 Prozent) auf 19,8 Prozent steigern konnten, das ist mit Abstand das beste Ergebnis der Partei in Hessen. Die Grünen ziehen damit mit der SPD gleich. Der Grünen-Spitzenkandidat und stellvertretende Ministerpräsident Tarek Al-Wazir sah das Ergebnis als Auftrag, weiterzumachen in Sachen Energiewende, Agrarwende und Verkehrswende. "So grün war Hessen noch nie."

Es sei ein "wunderbarer Tag". Auch in Hessen sitzen künftig sechs Fraktionen im Parlament. FDP und Linke, die vor fünf Jahren nur jeweils knapp über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen waren, sind diesmal ohne Probleme in den Landtag eingezogen. Die Liberalen standen bei 7,5 Prozent, die Linkspartei bei 6,3. Die AfD hatte 2013, kurz nach ihrer Gründung als damals noch euro-skeptische Partei, den Einzug in den Landtag mit 4,1 Prozent der Stimmen verpasst. Nun zieht sie mit 13,1 Prozent ins 16. von 16 Landesparlamenten ein.

Volker Bouffier, der auch stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender ist, regiert Hessen seit acht Jahren. Im Jahr 2010 wurde er Ministerpräsident einer schwarz-gelben Koalition, weil der bisherige Amtsinhaber Roland Koch in die Wirtschaft wechselte. Bei der Wahl 2013 verlor Schwarz-Gelb die Mehrheit, Bouffier bildete anschließend nach dreimonatigen Verhandlungen mit Tarek Al-Wazir das erste schwarz-grüne Bündnis in einem Flächenland. Seither regieren beide Parteien relativ geräuschlos und aus ihrer Sicht erfolgreich.

Hesse Holds State Elections

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier macht am Abend die Bundesregierung für das schlechte Wahlergebnis verantwortlich.

(Foto: Michael Gottschalk/Getty)

Bouffier will an diesem Montag mit Grünen, FDP und SPD reden; Der FDP-Spitzenkandidat René Rock hofft auf ein Jamaika-Bündnis. "Wir würden sondieren und wollen gucken, ob wir es hinbekommen", sagte er. Klar war von vornherein, dass niemand mit der AfD Gespräche führen wird, und dass CDU und Linke eine Kooperation ausschließen. Die Forschungsgruppe Wahlen sah das Ergebnis in einer ersten Analyse als "Votum für schwarz-grüne Regierungskontinuität mit deutlich mehr grünem Anstrich". 49 Prozent seien für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit von Union und Grünen, 33 Prozent dagegen. Im Jahr 2013 sei einen solche Kooperation noch skeptischer beurteilt worden.

Aufgerufen zur Wahl waren knapp 4,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Die Wahlbeteiligung war aber deutlich niedriger als 2013. Damals gingen 73,2 Prozent der Stimmberechtigten zu den Urnen, dies lag jedoch auch an der gleichzeitig stattfindenden Bundestagswahl. Diesmal waren es nur 67,8 Prozent. Die Wahlperiode des bisherigen Landtags endet erst am 17. Januar 2019, einen Tag später tritt laut Landesverfassung der neue Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammen.

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