Das Netzwerk rechtsradikaler Polizisten im hessischen Polizeidienst ist möglicherweise größer als bekannt. Nach der Suspendierung von fünf Frankfurter Polizeibeamten, die einen rechtsradikalen Chat betrieben hatten und die verdächtigt werden, interne Daten aus dem Polizeicomputer über eine türkischstämmige Anwältin herausgegeben zu haben, wird nun schon wieder ein Fall bekannt, in dem ein Polizist unrechtmäßig interne Daten herausgab - und das auch noch an ein bekennendes Mitglied einer Neonazi-Vereinigung.
Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, wird in diesem Fall gegen einen Polizisten aus Osthessen ermittelt. Ihm wird vorgeworfen, eine Bekannte aus der gewaltbereiten Neonazigruppe "Aryans" mit Daten versorgt zu haben. Das wurde in einem Prozess gegen zwei hessische "Aryans"-Mitglieder bekannt, der am Donnerstag in Halle in Sachsen-Anhalt begonnen hat.

Rechtsextremismus in Hessen:Offenbar weitere Verdachtsfälle bei der Polizei
Fünf Frankfurter Polizisten werden beschuldigt, in rechtsradikale Aktivitäten verstrickt zu sein. Berichten zufolge könnten noch mehr Polizisten beteiligt sein. Hessens Innenminister wird vorgeworfen, Informationen zurückgehalten zu haben.
Die "Aryans" stehen der bundesweit organisierten gewaltbereiten Neonazivereinigung "Division Braune Wölfe" nahe. Den beiden Angeklagten, dem 40 Jahre alten Carsten M. und seiner Freundin, der 42 Jahre alten Martina H., wird vorgeworfen, am 1. Mai 2017 in Halle mit ihrem Auto wehrlose Menschen gejagt und mit Steinen und Flaschen beworfen zu haben. Carsten M. soll zwei Wanderer mit einem Starkstromkabel auf den Kopf geschlagen und schwer verletzt haben. Sowohl Carsten M. als auch seine Freundin Martina H. hatten dabei schwarze T-Shirts getragen, auf denen das Wort "Aryans" (Arier) prangte und auf der Rückseite der Satz "Support your race". (Unterstütze deine Rasse).
Bei den Ermittlungen gegen Martina H. wurde auch ihr Handy ausgewertet. Darin findet sich neben Nazipropaganda und Ausführungen zu den Taten in Halle ("Zecken verdroschen") auch ein Chatverlauf, in dem sie einen ihr bekannten hessischen Polizeibeamten zweimal darum bittet, aus dem internen polizeilichen Informationssystem Daten für sie abzurufen. Der Polizist kam der Bitte nach - so der Stand der Ermittlungen. Um welche Informationen es sich genau handelt, die der Polizist herausgab, wurde in Halle nicht bekannt.
Dieser Vorgang erinnert an die Vorfälle rund um die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız. Sie hatte im vergangenen Sommer einen Drohbrief bekommen, unterzeichnet mit dem Namen "NSU 2.0". Die Anwältin hat fünf Jahre lang im NSU-Prozess die Angehörigen eines Mordopfers vertreten. Sie verteidigt auch in Islamisten-Prozessen. In dem Drohschreiben an sie waren höchstpersönliche Daten wie der Name ihrer kleinen Tochter sowie ihre Privatadresse verzeichnet - Daten, die es nur im Einwohnermeldeamt oder im Polizeicomputer gibt. Der Briefschreiber drohte ihr an, man werde ihre zweijährige Tochter "abschlachten". So hieß es in dem Brief: "Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst, du Schwein!"
Die Ermittlungen in diesem Fall haben ergeben, dass die privaten Daten der Anwältin in einer Frankfurter Polizeiwache aus dem Computer abgerufen worden waren, obwohl es dafür keinerlei Notwendigkeit gab. Die fünf verdächtigen Polizisten tauschten offenbar wochenlang rassistische Nachrichten aus. Sie schickten sich Hitler-Bilder und Hakenkreuze per Computer. Gegen die vier Polizisten und eine Kollegin wird wegen Volksverhetzung ermittelt. Sie sind vom Dienst suspendiert. Auch gegen einen weiteren Polizisten in Marburg laufen Ermittlungen. Ob zwischen diesen Personen und dem nun in dem Prozess in Halle bekannt gewordenen Fall eine Verbindung besteht, ist unklar.