In den sechs Jahren als hessischer Innenminister hat Peter Beuth sich angewöhnt, seine Emotionen zu reduzieren. Mag der politische Gegner schimpfen, mögen die Grünen, in Wiesbaden Koalitionspartner der CDU, grummeln und seufzen: Beuth steht da, schlank, sportlich, korrekt, und erklärt ungerührt und im Behördendeutsch, was Sache ist. Umso stärker war der Zorn des Peter Beuth zu spüren, als er am vergangenen Donnerstag vor die Journalisten trat und scharf das Landeskriminalamt anging: Es habe ihm verschwiegen, dass von einem Polizeirechner in Wiesbaden Daten der Linken-Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler abgerufen worden seien. Kurz darauf hatte sie Todesdrohungen per Mail erhalten. Ein Sonderermittler solle nun herausfinden, was los sei in der hessischen Polizei; dass es dort ein rechtes Netz gebe, schließe er nicht mehr aus. Seine Botschaft: Die Lage ist ernst - aber der Innenminister weiß, was nun zu tun ist.
Rechtsextremismus:Bericht: Daten von İdil Baydar von Polizeicomputer abgerufen
Neben einer Anwältin und einer Linken-Politikerin soll auch eine von Rechtsextremen angefeindete Kabarettistin ausgeforscht worden sein. Die neue Spur soll in ein Wiesbadener Polizeirevier führen.
Nun aber musste Beuth seine Darstellung korrigieren. Das Landeskriminalamt informierte das Ministerium offenbar schon im März über den Vorfall - Landespolizeipräsident Udo Münch aber gab die Information nicht weiter. Die Konsequenz für Münch: Er ist in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Die Reaktion von Beuth: Eine weitere Pressekonferenz, bei der die Journalisten keine Nachfragen stellen dürfen. Es läuft nicht gut für den selbstbewussten Innenminister. Seit zwei Jahren gelingt es nicht herauszufinden, wer von einem Frankfurter Polizeicomputer Daten gefischt hat, die dann in Drohmails an die Anwältin Seda Başay-Yıldız auftauchten. Und nun offenbaren sich immer mehr Frauen, die irgendwie als links zu identifizieren sind, dass sie Schreiben mit dem Absender "NSU 2.0" erhalten. Das Bild von Beuth, dem Fachmann für Recht und Ordnung, bröckelt. Haben nicht auch vor dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke die Sicherheitsbehörden versagt? Im Untersuchungsausschuss des Landtags dürfte die Opposition viele kritische Fragen an ihn haben. Und das gegenwärtige Schweigen bei den Grünen, dem Koalitionspartner, ist auch kein gutes Zeichen für Beuth.
Für den 52-jährigen Juristen ist das bitter. Nach dem Mord an Lübcke hat er einiges in Gang gesetzt, um den Druck auf die rechte Szene im Land zu erhöhen. Er ließ eine Sonderkommission mit 140 Ermittlern bilden, es gab Hausdurchsuchungen und Verhaftungen, die Verunsicherung unter Hessens Rechtsextremisten und Neonazis sei spürbar, heißt es.
Nur interessiert das gerade niemanden. Beuth werde "mehr und mehr zu einer Belastung für die Aufklärung der Affäre", kritisiert Günter Rudolph, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Landtag. Die Corona-Krise war keine gute Zeit für die Opposition, nun dürfte sie den Politiker gefunden haben, über den die schwarz-grüne Regierung anzugreifen und zu treffen ist.
Beuth blickt auf eine lange Karriere in der Politik zurück. Schon vor dem Abitur hatte er sich für die Christdemokraten engagiert; 1999, als der forsche CDU-Mann Roland Koch die Wahl gewann, kam er in den Landtag. Zehn Jahre später wurde er Generalsekretär der Partei, ein scharfzüngiger Stratege mit konservativem Profil, der dann doch erfolgreich die Koalitionsgespräche mit den Grünen führte. Er stand fürs strenge Regiment in der Rechts- und Sicherheitspolitik, was selbst die Fans der Frankfurter Eintracht zu spüren bekamen: Beuth erwies sich als harter Gegner der Pyrotechnik. Im Februar 2019 gab es dann einen Polizeieinsatz im Stadion. Fans wurden durchsucht, ein Eintracht-Anhänger verletzt. In der Woche darauf war das ganze Stadion mit Anti-Beuth-Bannern tapeziert.
Das hat der Innenminister überstanden; nach dem tragischen Tod des Finanzministers Thomas Schäfer galt er als möglicher Nachfolger von Ministerpräsident Volker Bouffier. Damit dürfte es nun vorbei sein.