Hessen: Folgen der Krise:Das Rennen ist offen

Die CDU träumt davon, vom hessischen SPD-Debakel - auch bundespolitisch - profitieren zu können. Und könnte sich mächtig täuschen.

Stefan Braun, Berlin

Es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass Roland Koch am Montag sein Glück am liebsten mit viel Schampus begossen hätte. Und es spricht viel dafür, dass die Freude bei der Bundes-CDU ähnlich groß gewesen sein dürfte.

Hessen: Folgen der Krise: Gibt sich zuversichtlich: Roland Koch

Gibt sich zuversichtlich: Roland Koch

(Foto: Foto: dpa)

Dass sich vier Sozialdemokraten Andrea Ypsilanti in letzter Sekunde in den Weg werfen würden, haben sie bei der CDU zwar immer gehofft, aber kaum mehr für möglich gehalten.

Entsprechend groß war ihre Freude, entsprechend überhöht waren ihre Kommentare. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, der Wortbruch sei keine Basis für Erfolge. Von einem Triumph der Demokratie gar sprach Angela Merkel.

Doch so süß das Glück der CDU im Augenblick schmecken dürfte - ein dauerhafter Vorteil lässt sich daraus nicht ableiten. Natürlich versuchte Pofalla, aus dem Scheitern der Hessen-SPD auch ein Scheitern der Bundespartei zu machen. Und natürlich ist der Schlag für die hessische SPD erst einmal ein gewaltiger Schlag für alle Sozialdemokraten.

Bislang aber gehörte die Attacke gegen das linke Experiment in Hessen für die CDU zu den Stützpfeilern des geplanten Bundestagswahlkampfs. Sie waren in den letzten Monaten schon fast identitätsstiftend. Das Scheitern des Experiments raubt der Union ein Thema, das sie sehr gerne sehr lange am Köcheln gehalten hätte. So absurd es auf den ersten Blick klingen mag, aber Ypsilantis frühe Niederlage könnte sich für Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier als Segen erweisen. Das Projekt Kooperation mit der Linkspartei ist fürs Erste erledigt, egal wer Schuld hat an seinem Ende.

Für die CDU setzt sich so eine Reihe fort, die Reihe der Verluste an Angriffsflächen und weichen Themen. Als das neue SPD-Führungsduo Müntefering/Steinmeier Kurt Beck ablöste, freute sich die CDU über Schlagzeilen, die vom Putsch und von Niedertracht sprachen.

Eigentlich hätte die CDU weinen müssen, weil ihr ein schwacher Gegner abhanden kam. Bevor die Finanzkrise ausbrach, setzte die CDU-Zentrale auf Merkels hohen Sympathiewert. Auch diese Strategie wird mit den akuten Wirtschaftssorgen für einen Sieg nicht mehr reichen. Schritt für Schritt verschwindet so eine blendende Oberfläche, die Fragen nach der Substanz überdeckte.

Für die Demokratie ist das kein Schaden. Aber für die Union werden die Anforderungen immer konkreter. Nicht mehr der schöne Schein wird entscheiden, sondern die Frage, wer glaubhaft die besten Antworten hat auf die weltverändernde Wirtschaftskrise. Jetzt müssen SPD und Union beweisen, was sie im Kampf gegen Finanzdebakel und Rezessionsgefahren zu bieten haben, personell und in der Sache.

Wer wirkt entschlossener? Klarer? Kompetenter? Steinbrück, Müntefering und Steinmeier - oder Merkel? Die Antwort auf diese Frage wird 2009 über Sieg und Niederlage entscheiden. Und das macht das Rennen viel offener, als es beim ersten Blick auf das SPD-Debakel von Hessen aussieht.

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