Der Vorsitzende der extrem rechten FPÖ, Herbert Kickl, hat sich am Dienstag erstmals zur Rolle geäußert, die er demnächst einnehmen könnte: die des österreichischen Bundeskanzlers. In einer Pressekonferenz erklärte er, er wolle den „Weg der staatspolitischen Verantwortung“ gehen und mit der konservativen ÖVP über eine Koalition verhandeln. Kickl war am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftragt worden, eine Regierung zu bilden, nachdem Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos gescheitert waren.
Kickl nützte den Auftritt in der Parteizentrale der FPÖ, der eine gute halbe Stunde dauerte, um sich staatsmännisch zu geben. Er hätte es sich einfach machen und den Weg des geringsten Risikos gehen können, sagte Kickl. Die FPÖ erlebe seit einiger Zeit einen „Siegeslauf“, es wäre also naheliegend gewesen, Neuwahlen anzustreben. Doch dies wäre von „Partikularinteresse“ getrieben gewesen, er wolle nun aber „für die Menschen in Österreich“ arbeiten. Im „Schulterschluss mit dem Volk“ strebe er „einen echten Wiederaufbau mit einer neuen Form der Politik“ an, „mit Zusammenhalt und Freiräumen, mit Normalität und Hausverstand, einem kerngesunden Patriotismus und einer ausgeprägten Liebe zur Freiheit“.

Zitate von Herbert Kickl:„Wir sind nicht rechtsextrem, wir haben nur extrem oft recht“
Er betrachtet sich selbst als Volkskanzler. Nun steht Herbert Kickl, Kopf der FPÖ, selbst vor einer Regierungsbildung in Österreich. Eine Sammlung eindrücklicher Zitate aus der Karriere des rechtsextremistischen Politikers.
In Kickls Statement wurde aber auch klar, dass eine Regierung mit der ÖVP kein Selbstläufer ist und er hohe Anforderungen an den kleinen Koalitionspartner stellen wird. Kickl betonte, er erwarte von der ÖVP, „das Bewusstsein, wer die Wahl gewonnen hat“ sowie „die Einsicht“, wer die Fehler der Vergangenheit zu verantworten habe. Zu diesen zählt Kickl die Staatsverschuldung, die so hoch ist, dass die EU demnächst ein Defizitverfahren einleiten könnte. Es sei „ein Vertrauensvorschuss“ seitens der FPÖ, in diese Gespräche einzutreten, sagte Kickl und drohte Neuwahlen an, sollte er den Eindruck bekommen, die ÖVP habe dieses Vertrauen nicht verdient.
Zu politischen Inhalten und einem möglichen Regierungsprogramm sagte er nichts. Die FPÖ hat aber bereits im Herbst eine Art Sondierungspapier aufgesetzt, in dem sie eine Zusammenarbeit mit der ÖVP skizzierte. Darin spricht sich die FPÖ etwa gegen neue Steuern und für eine wirtschaftsliberale Politik sowie einen Abbau der Verwaltung und Einsparungen in den Ministerien aus, Punkte, in denen die beiden Parteien übereinstimmen könnten. Auch in Fragen der Zuwanderung liegen FPÖ und ÖVP nicht allzu weit auseinander, wie sich in mehreren gemeinsamen Regierungen auf Länderebene zeigte. Sowohl FPÖ als auch ÖVP verfolgen eine restriktive Migrationspolitik, wollen den sogenannten „politischen Islam“ bekämpfen und Abschiebungen forcieren.
Als schwieriges Thema könnte sich in den Koalitionsverhandlungen dagegen die Außen- und Sicherheitspolitik erweisen. Kickl ist ein erklärter Gegner der Nato, die ÖVP hat sich für eine Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsbündnis ausgesprochen. Wiederholt hat sich Kickl gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen und die Sanktionen gegen Russland kritisiert. Auch auf EU-Ebene vertreten die Parteien vollkommen unterschiedliche Positionen. Während die ÖVP ihrem historischen Selbstverständnis nach eine Europa-Partei ist, fordert Kickl eine „Festung Österreich“ und will sich gegen Einflussnahme durch die EU abschotten.

ÖVP:Elastisch bis zur Selbstverleugnung
Noch vor Kurzem nannte Christian Stocker den FPÖ-Vormann Herbert Kickl ein „Sicherheitsrisiko“, das Österreich vermeiden müsse. Nun findet der designierte ÖVP-Chef nichts dabei, seine Partei ausgerechnet in eine Koalition mit dem Vielgeschmähten zu führen.
In den kommenden Tagen will Kickl mit Christian Stocker für Gespräche zusammentreffen, dem designierten ÖVP-Chef. Er hat das Amt von Bundeskanzler Karl Nehammer übernommen, der am Wochendende vom Amt des Parteivorsitzenden und dem des Bundeskanzlers zurückgetreten war. Nehammer hatte eine Koalition mit Herbert Kickl stets ausgeschlossen. Er ist nicht der einzige ÖVP-Politiker, der die Entscheidung, mit der FPÖ in Koalitonsverhandlungen zu treten, nicht mittragen will. Am Dienstag haben sowohl die ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab als auch Außenminister Alexander Schallenberg ihren Rückzug angekündigt. Der frühere EU-Kommissar Franz Fischler warnte, eine „reaktionäre“ Regierung unter Kickl könnte den Beginn einer „Dritten Republik“ einläuten.
Vizekanzler Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, äußerte sich zur Situation in Deutschland. Er warnte am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin vor einer Unregierbarkeit Deutschlands, wenn die Parteien der Mitte nicht nach der Wahl zusammenarbeiteten. Dagegen nahm CSU-Chef Söder den Fall Österreich bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im bayerischen Kloster Seeon zum Anlass, um einmal mehr ein Bündnis der Union mit den Grünen auszuschließen. „Österreich hat gezeigt, wohin Schwarz-Grün führt: nur zum extremen Erstarken von anderen Kräften, dort der FPÖ.“ Aus der SPD heißt es, dass sich die konservative Partei in Österreich „zum Steigbügelhalter der rechtspopulistischen FPÖ“ mache, wie es der stellvertretende SPD-Fraktionschef Achim Post ausdrückte. Es gehe in Hinblick auf die Bundestagswahl nun darum, „den Rechtsaußen keinen Zentimeter Platz zu geben“.