Süddeutsche Zeitung

Prozess Kohl-Richter gegen Schwan:Der Tod ändert alles

Die Witwe des Altkanzlers will vor dem BGH eine Millionenentschädigung und die Streichung von Passagen aus Schwans Buch über Helmut Kohl erstreiten. Doch ihre Aussichten auf Erfolg sind auf ein Minimum geschrumpft.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Man sollte nicht darauf bauen, dass der Rechtsstreit zwischen Maike Kohl-Richter und dem Autor Heribert Schwan sowie dem Heyne-Verlag demnächst zu Ende ist. Zwar hat der Prozess nun den Bundesgerichtshof (BGH) erreicht, der an diesem Montag verhandelt hat und am 29. November sein Urteil verkünden wird. Da geht es um die Streichung von Passagen aus Schwans Buch "Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle" und um eine Millionenentschädigung an die Witwe des 2017 gestorbenen Altkanzlers Helmut Kohl. Der BGH dürfte den Fall wieder an das Oberlandesgericht (OLG) Köln zurückverweisen. Auch eine Schlussrunde beim Bundesverfassungsgericht ist nicht ausgeschlossen. Aber eines lässt sich vorhersagen: Die Aussichten für Kohl-Richter auf einen Erfolg im Kampf um das Kohl-Erbe sind nach der Verhandlung auf ein Minimum geschrumpft.

Die ursprüngliche Klage, erhoben noch zu Lebzeiten Kohls, lautete auf fünf Millionen Euro Entschädigung sowie auf Streichung von 116 Passagen aus dem Buch, das Schwan zusammen mit dem vergangenes Jahr gestorbenen Tilman Jens verfasst hatte. Die rechtliche Position des Altkanzlers war nicht schlecht, das Landgericht Köln sprach ihm eine Million Euro zu und verfügte zudem die Streichung der inkriminierten Passagen. Sie stammten allesamt aus den Gesprächen, die Schwan - der damals noch Kohls Vertrauen genoss - vor 20 Jahren mit dem Altkanzler geführt hatte. 630 Stunden hatte Schwan auf Band, gedacht für die vierbändigen Memoiren, die er als Kohls Ghostwriter verfassen sollte. Drei der Bücher erschienen, aber vor dem Ende des Projekts kam es zum Zerwürfnis. 2009 trennte sich Kohl von dem Autor.

Schwan verfolgte nun sein eigenes Projekt weiter. Er wollte aus dem "Schatz", den er in Händen zu halten glaubte, eine eigene Publikation machen, gewiss zum eigenen Vorteil, aber eben auch, um die historisch so bedeutsame Figur Kohl von einer anderen Seite zu beleuchten. Kohl hatte in den Gesprächen nämlich ungewöhnlich offenherzig vom Leder gezogen und seinem aufmerksamen Zuhörer viele deftige Zitate geliefert. Oder, wie es der BGH-Senatsvorsitzende Stephan Seiters am Montag ausdrückte: "Er bediente sich dabei teilweise einer umgangssprachlichen und drastischen Ausdrucksweise."

Der juristische Erfolg bröckelte in der zweiten Instanz. Denn am 16. Juni 2017 starb Helmut Kohl, fast ein Jahr vor dem OLG-Urteil. Zwar verfolgte die Witwe den Prozess weiter, aber auch juristisch gilt: Der Tod ändert alles. Ausführlich hielt das OLG fest, dass Kohl - hätte er den Tag des Urteils noch erlebt - die Klage wohl gewonnen hätte. Auch deshalb weil Schwan zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen sei. So aber wies das OLG die Klage ab. Der noch nicht rechtskräftig gewordene Anspruch sei nicht vererbbar.

Und es sieht so aus, dass der BGH daran festhalten wird. Eine Entschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts diene vor allem der "Genugtuung" des Betroffenen, erläuterte Seiters. "Einem Verstorbenen kann Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden." Matthias Siegmann, Anwalt von Kohl-Richter, verwies zwar auf das Bild Kohls als einem der bedeutendsten Staatsmänner. "Diesem Bild kann noch Genugtuung widerfahren." Aber da dürfte er schon geahnt haben, dass die Aussichten seiner Mandantin winzig sind.

Entscheidend sind die Fehlzitate

Bleibt die Frage, ob es ihr wenigstens gelingt, die aus ihrer Sicht rufschädigenden Zitate Kohls tilgen zu lassen. Der Witwe ging es immer auch um die Deutungshoheit. Doch auch hier ließ Seiters durchblicken, dass rechtliche Ansprüche nach dem Tod sehr viel schwerer durchzusetzen sind.

Zwar kennen Juristen seit Langem einen "postmortalen Persönlichkeitsschutz". Seiters machte aber deutlich, dass wirklich nur eine grobe Entstellung des Lebensbildes von Helmut Kohl einen solchen Anspruch rechtfertigen könne - und nicht bereits jede Indiskretion. Entscheidend seien allein die Fehlzitate, gegen die sich die Klägerin gewandt hatte. Seiters konnte einige solcher Fehlzitate erkennen, etwa den Satz über den einstigen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler - "Er war ein Narr und Rechthaber". Das war wohl aus dem Kontext gerissen, weil Kohl im gleichen Atemzug gesagt hatte: "Er machte immer einen guten Job." Auch bei einem weiteren Zitat, mit dem Kohl eine "Gefahr von rechts" in Abrede gestellt haben soll, fehlte dem Vorsitzenden zufolge der Zusammenhang.

Entscheidend sei aber, ob solche Fehlzitate "nach Quantität und Qualität" wirklich so gravierend seien, dass das Bild des Altkanzlers dadurch grob entstellt würde. Walter Momper zum Beispiel, den einstigen Berliner Bürgermeister, soll er als "Rüpel" bezeichnet haben. Aber derbe Sprüche dieser Art dürften dem Vorsitzenden zufolge nicht reichen.

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