Helgoland:Da ist der Ofen aus

Auf der Insel liegen die Bürger im Streit wie seit Jahren nicht mehr: Die einen wollen mit Kachelöfen heizen, die anderen sind strikt dagegen. Am Sonntag wird abgestimmt.

Von Peter Burghardt

Ein Kachelofen kann auf Helgoland womöglich ganz behaglich sein, die Insel liegt ja einsam genug in der Nordsee. An gut 200 Tagen im Jahr bläst eine steife Brise, Regen fällt reichlich, 1400 Bewohner halten trotzdem aus. Statt der Butterfahrer mehren sich die Naturfreunde, Vogelkundler, Meeresforscher und Windparktechniker. Zweimal im Jahr setzt der Bezirksschornsteinfeger Björn Dannenmann aus Wedel über, Helgoland gehört zu seinem Beritt. Er hatte bisher wenig zu beanstanden. Doch jetzt tobt der Kampf um das Feuer.

Am Sonntag stimmen die Helgoländer allen Ernstes darüber ab, ob sie weiterhin private Kachelöfen verwenden dürfen. 2014 hatte die Gemeindeverwaltung beschlossen, solche Geräte vom 1. Juli 2016 an zu verbieten, zugunsten von Fernwärme. Das autofreie Seebad rühmt sich als jod- und sauerstoffreichster Ort der Republik, man ortet noch weniger Staub als auf der Zugspitze. Ein Bürgerbegehren mit dem Motto "Private Öfen heben die Lebensqualität" allerdings ging mit Hunderten Unterschriften gegen das Ofenverbot vor und veranlasste Bürgermeister Jörg Singer dazu, dieses Referendum auszurufen.

So entzweit war das Eiland seit seinem letzten Bürgerentscheid 2011 nicht mehr. Damals wurde gestritten, ob die einst von einer Sturmflut abgetrennte Düne wieder mit Helgoland verbunden werden sollte - 55 Prozent der Wähler waren dagegen, weshalb man die Strände und Kegelrobben dort weiterhin nur im Boot erreicht. Nun stehen sich also Ofenfreunde und Ofengegner gegenüber, Ausgang ungewiss. Die Ofengegner treten auf als "Freunde der reinen Luft", auf Helgoland auch "Riin Loch Moats" genannt. Sie finden, dass diese Öfen das Klima verpesten. Der Rauch ziehe entweder ins Haus, klagt Katja Martens, Sprecherin der Frischluftinitiative, deren Mann Asthmatiker ist. Oder sie könne die Wäsche gleich noch mal waschen. "Rücksichtslos" sei das, "unerträglich." Nach ihrer Statistik gibt es auf Helgoland 84 Öfen mit Kamin.

Ingeborg Bussmann von den Ofenverteidigern dagegen zählt ungefähr 70 Holzöfen und hält die Argumente der Gegenseite für abstrus. Da gehe es mehr um Neid und Gefühle als um Fakten. Die Luft auf Helgoland sei ausgezeichnet, das hätten Studien bewiesen. Es gebe "einen Unterschied zwischen Riechen und Feinstaub." Außerdem verursache das mit Öl betriebene Heizkraftwerk mehr Kohlendioxid als das Holz, das im Übrigen vom Festland importiert werde. Und was sei mit den Rauchern, den Grillern im Sommer oder den Abgasen von Schiffen und Hubschraubern, wenn schon ein paar Öfen störten? Bussmann, eine Biologin, sagt, sie verwende ein dänisches Modell aus Gusseisen.

Zum Lachen ist der Disput offenbar keineswegs, Bussmann erzählt von Austritten aus Vereinen und anonymen Briefen. "Die Fronten sind verhärtet", sagt der Schornsteinfeger Dannenmann, "das ist tatsächlich ernst." Wie findet er das Drama? "Quatsch", die Belastung halte sich bei Windstärke 6 in Grenzen. Vielleicht locke die Debatte immerhin Touristen in die gute Luft. Ist der Ofen auf Helgoland bald tatsächlich aus, dann kommt Dannenmann aber eventuell nur noch einmal im Jahr vorbei.

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