Heiße Phase des US-Wahlkampfes:Sieben Schritte bis ins Weiße Haus

Ein sehr knappes Rennen geht in die heiße Phase: Romney und sein "running mate" Ryan werden auf dem Parteitag der US-Republikaner eine große Anti-Obama-Show bieten, der US-Präsident schlägt kurz darauf zurück. Dann geht es in die TV-Arenen. Und schließlich wird wohl auch entscheidend sein, mit wem die Amerikaner lieber ein Bier trinken würden.

Matthias Kolb, Washington

Die Entscheidung rückt näher: Weniger als drei Monate sind es noch bis zum 6. November, jenem Tag, an dem Amerika darüber abstimmt, ob der Demokrat Barack Obama vier weitere Jahre regieren wird oder ob ihn der Republikaner Mitt Romney ablöst.

Eines steht fest: Es wird ein sehr knappes und sehr teures Rennen werden. In den landesweiten Umfragen liegen die beiden Kandidaten Kopf an Kopf, doch in den meisten wichtigen swing states, in denen viele Wähler noch unentschieden sind, liegt Amtsinhaber Obama vorn. Allerdings schlägt sich Romney in einer anderen Disziplin erstaunlich gut: In den Monaten Mai, Juni und Juli haben die Republikaner mehr Spenden eingesammelt als die Demokraten.

Weil im US-Wahlsystem jeder Bundesstaat Wahlmänner entsendet, lautet die wichtigste Zahl 270 - so viele Stimmen braucht ein Kandidat im electoral college, um zum Präsidenten gewählt zu werden. Süddeutsche.de wird die Umfrageergebnisse in allen 50 Staaten in einer interaktiven Grafik ständig aktualisieren - im SZ-Wahlatlas zur US-Wahl. Zugleich blicken wir nach vorne auf jene Termine, die im Wettkampf um das Weiße Haus über Sieg und Niederlage entscheiden könnten.

27. August - Romneys Krönung

Nun ist es offiziell: Auf dem Nominierungsparteitag in Tampa wird Mitt Romney zum Kandidaten der Republikaner gekürt. Der Ablauf einer solchen mehrtägigen convention wird bis ins kleinste Detail geplant, aber auf Romney und sein Team warten große Herausforderungen: Wird es seinem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten gelingen, die Delegierten in Florida sowie die Millionen Amerikaner vor den Bildschirmen zu begeistern? Oder entdecken Journalisten einen schwarzen Fleck in der Biographie des running mate Paul Ryan, der tagelang die Schlagzeilen bestimmt?

Schafft der Millionär den Spagat, die konservative Basis samt der Tea-Party-Anhänger mitzureißen und gleichsam bei den Wechselwählern zu punkten? Können Ehefrau Ann und ihre fünf Söhne Mitts menschliche Seite hervorheben und dem vom Obama-Lager gezeichneten Image des eiskalten Investors etwas entgegensetzen? Wer die US-amerikanischen sowie die internationalen Leitmedien verfolgt, liest seit fast einem Jahr täglich über Amerikas Wahlkampf, doch viele Bürger setzen sich nun erstmals ernsthaft mit den Kandidaten auseinander. Stimmen Inszenierung und Story, dann lassen sich die wahlentscheidenden Prozente sammeln.

4. September - Obama legt nach

Eine knappe Woche nach dem Spektakel der Republikaner treffen sich die Demokraten in North Carolina, um Präsident Obama offiziell zu ihrem Kandidaten zu küren. Die Rede des 51-Jährigen im riesigen Football-Stadion von Charlotte bildet den Höhepunkt der Mega-Veranstaltung, bei der es den Demokraten gelingen muss, die Inszenierung der Republikaner zu übertreffen.

Als Redner vertreten sind unter anderem Ex-Präsident Bill Clinton (steht für die Boom-Wirtschaft der neunziger Jahre), die Senatskandidatin Elizabeth Warren (Symbolfigur der Bankenkritiker) sowie Julian Cástro. Der 37-jährige Bürgermeister von San Antonio hält die keynote speech und soll die Latinos umwerben. Glückt ihm sein Auftritt, könnte Cástro eine große Karriere bevorstehen. 2004 begeisterte ein junger Demokrat Amerika mit seiner Rede: Barack Obama (hier im Youtube-Video).

Ein weiterer wichtiger Tag im Kalender eines Wahljahres ist der Labor Day, der 2012 auf den 3. September fällt. Eine Weisheit besagt: Wer zu diesem Zeitpunkt in der Gunst der Wähler vorn liegt, gewinnt. Die zahlenfixierten Amerikaner kennen die Statistik: Bis auf zwei Ausnahmen (Reagan vs. Carter 1980 und Gore vs. Bush 2000) wurde seit 1964 stets der Kandidat ins Weiße Haus gewählt, der am Labor Day in der Gallup-Umfrage führte.

3. Oktober - Redeschlacht vor den Kameras

Nach den Parteitagen schwärmen die Präsidentschaftsbewerber samt ihren Vizepräsidentschaftskandidaten aus, um auf Marktplätzen, in Fabrikhallen, Diners und Flugzeughangars um Stimmen zu werben. In den wahlentscheidenden swing states Virginia und Ohio wird täglich mindestens einer der vier Politiker auftreten, ähnlich hoch ist die Chance für Wähler in Florida, Colorado, Iowa, Nevada, New Hampshire, Pennsylvania, Wisconsin und New Mexico. (Hintergründe zum Phänomen swing state in diesem Süddeutsche.de-Artikel).

Die 40 anderen Bundesstaaten gelten als eindeutig blue (sicherer Sieg für die Demokraten) oder red (Hochburg der Republikaner). Wer hier wohnt, sieht Obama und Romney vor allem in den Werbespots (wobei auch diese verstärkt in swing states geschaltet werden) und bei den Rededuellen im Fernsehen. Beim Duell in Denver werden die Kandidaten vor allem über Innenpolitik diskutieren.

Wer gibt Obama das nötige Geld?

Im Allgemeinen gilt Obama als hervorragender Rhetoriker und für viele als Favorit - wenn sich Romney jedoch überraschend gut verkauft, könnte diese manchen unentschlossenen Wähler überzeugen. Ein weiterer Vorteil des Republikaners: Im Gegensatz zum Präsidenten, der 2008 das letzte Mal öffentlich stritt, ist der Mormone nach den 19 Debatten des Vorwahlkampfs im Training.

11. Oktober - Die Stellvertreter messen sich

Nach den Auftritten bei den Parteitagen stehen die VP-Kandidaten wieder im Mittelpunkt. Sie werden in Danville (Kentucky) vor die Kameras treten, ihre Chefs verteidigen und den Gegner angreifen. Vizepräsident Joe Biden ist ein geübter Redner, der Obama helfen soll, bei weißen Arbeitern nicht zu stark in Rückstand zu geraten. Allerdings neigt der 69-Jährige zu flapsigen Bemerkungen ("Joe Bombs") - es war eine Aussage des Ex-Senators aus Delaware, die Obama zwang, sich zur Homo-Ehe zu bekennen.

Bei Romneys Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan werden die Zuschauer besonders darauf achten, wie sich der Abgeordnete aus Wisconsin in der Haushaltspolitik positioniert. Seine Haltung gilt als dermaßen radikal, dass sich selbst Romney davon distanzierte.

16. Oktober - Kandidaten treffen Bürger

Das zweite TV-Duell findet an der Hofstra University in Hempstead (New York) statt und wird als townhall meeting ausgetragen. Im Publikum sitzen also nur Bürger, die sich noch nicht entschieden haben, für wen sie stimmen werden - für die Auswahl ist das Meinungsforschungsinstitut Gallup verantwortlich. Welche Themen abgesehen von der Entwicklung der US-Wirtschaft die Menschen bewegen und welche Fragen sie stellen werden, kann heute niemand wissen.

Der eher intime Rahmen spricht jedoch für den Amtsinhaber, dem Umfragen seit Monaten einen kleinen, aber womöglich entscheidenden Vorteil bescheinigen: Mehr Amerikaner könnten sich offenbar vorstellen, mit Obama ein Bier zu trinken als mit Romney. Der Washington Post zufolge haben 53 Prozent der Befragten eine positive Meinung über Obama als Person - seine Leistung als Präsident bewertet hingegen nicht mal jeder zweite Amerikaner als gut. Bei Romney sind die Zahlen schlechter: Nur zwei Fünftel der Wähler haben einen positiven Eindruck von ihm, auch wenn sie ihm mehr Kompetenz in Wirtschaftsfragen zuweisen.

22. Oktober - die vielleicht letzte Chance

Gut zwei Wochen vor dem Wahltermin debattieren Obama und Romney in Boca Raton (Florida) über außenpolitische Fragen - ein Thema, das die meisten Amerikaner nur wenig beeindruckt oder in ihrer Entscheidung beeinflusst. Überhaupt haben sich sehr viele Wähler bereits entschieden, für wen sie stimmen werden; Experten nennen Werte um 90 Prozent.

"Niemals wurde so viel Geld investiert, um so wenige Wähler zu überzeugen", konstatiert Larry Sabato von der University of Virginia. Es wird eine der spannendsten Fragen sein, ob und inwieweit Mitt Romney und die Republikaner ihren finanziellen Vorsprung, den sie dank der millionenstarken Super-Pacs und undurchsichtiger "501(c)4-Organisationen" haben (Details in diesem SZ-Artikel) nutzen können, um Obamas Image zu beschädigen - oder ob die Demokraten mit vielen Kleinspenden dagegen halten und liberale Gönner wie George Soros doch noch hohe Schecks ausstellen werden. Auch können Ereignisse rund um die Schuldenkrise in Europa, ein Terroranschlag oder Spannungen in Nahost den Wahlkampf auf heute unvorhersehbare Art beeinflussen.

6. November - Amerika hat die Wahl

Der Tag der Entscheidung ist gekommen, die Amerikaner bestimmen ihr Staatsoberhaupt. Wobei erfahrungsgemäß nur etwas mehr als die Hälfte aller Bürger von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen - die historischen Höchstwerte von Obamas Wahl 2008 werden nach den ernüchternden vier Jahren sicher nicht erreicht.

Bevor am 20. Januar der alte oder neue Präsident vereinigt wird, steht den Politikern in Washington eine Herkulesaufgabe bevor: Bis zum Jahreswechsel müssen Demokraten und Republikaner nach einem Kompromiss in der Haushaltspolitik suchen, um das so genannte fiscal cliff zu vermeiden. Wird keine Lösung gefunden, laufen die von George W. Bush eingeführten Steuersenkungen aus und das Militär-Budget wird drastisch beschnitten, wie im Sommer 2011 beschlossen wurde.

Dem unabhängigen Congressional Budget Office zufolge könnte die US-Wirtschaft um vier Prozent schrumpfen, wenn die Abgeordneten untätig bleiben. Ob es also zu einer Einigung kommt und wie diese im Detail aussieht, wird die Handlungsspielräume des Mannes im Weißen Haus enorm beeinflussen.

Der Autor twittert unter @matikolb.

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