Heimliche Überwachung:US-Geheimdienst NSA täuschte die Bundesregierung

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Das Reichstagsgebäude in Berlin: Lange hat die Bundesregierung die USA gegen die Überwachungsvorwürfe verteidigt - umso größer ist jetzt die Verbitterung. (Foto: imago stock&people)

Mindestens zwei Mal haben die USA ihren Partner Deutschland belogen. 2002 verpflichtete sich die NSA, keine Deutschen abzuhören - im selben Jahr startete der Angriff auf Merkels Handy. Im Juli versicherte der US-Geheimdienst dann erneut, sich an alle Abkommen zu halten.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

Der amerikanische Geheimdienst NSA hat durch das Abhören des Handys der Bundeskanzlerin offenbar eine zwischenstaatliche Vereinbarung zwischen den USA und Deutschland gebrochen. Zudem belog die NSA ihre deutschen Partner offenbar mindestens zwei Mal. In deutschen Regierungskreisen herrscht darüber große Verbitterung.

Die NSA hatte im April 2002 in einem sogenannten Memorandum of Agreement schriftlich versichert, sich "an die deutschen Gesetze und Bestimmungen zu halten, die die Durchführung von Fernmelde- und elektronischer Aufklärung und Bearbeitung regeln". Im selben Jahr begann der Lauschangriff der NSA auf die spätere Kanzlerin.

Der ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hatte im Sommer vergangenen Jahres vor der Presse ausdrücklich auf dieses Agreement verwiesen und betont, dass sich die Amerikaner in Deutschland an Recht und Gesetz hielten und von Deutschland aus keine deutschen Staatsbürger abhörten.

MeinungNSA-Affäre und Kanzlerin-Handy
:Danke fürs Abhören

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Die Forderung, dass auf deutschem Boden deutsches Recht gelten müsse, hat auch die Kanzlerin seit Beginn der NSA-Affäre immer wieder erhoben. Am 23. Juli des vergangenen Jahres, bevor bekannt wurde, dass Angela Merkels Handy abgehört wurde, hatte die NSA der Bundesregierung noch einmal schriftlich versichert, man "unternehme nichts, um deutsche Interessen zu schädigen". Die NSA halte sich an alle Abkommen, die mit der Bundesregierung, vertreten durch die deutschen Nachrichtendienste, geschlossen worden seien und habe "sich auch in der Vergangenheit daran gehalten", heißt es in dem Schriftstück weiter.

"Sie haben uns im Sommer noch einmal schriftlich belogen"

Diese beiden Zusicherungen waren nach Angaben aus Regierungskreisen vor allem der Grund dafür, die US-Seite im vergangenen August von allen öffentlich erhobenen Vorwürfen freizusprechen. Inzwischen hat die Bundesregierung die USA mehrfach darauf hingewiesen, "dass frühere Aussagen nicht zutreffend waren" und das Vertrauen deshalb "erschüttert" sei.

"Die USA haben ihren Vertrag mit Deutschland aus 2002 glatt gebrochen, alle deutschen Bestimmungen zur Fernmeldeüberwachung zu beachten", sagt der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der auch Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission ist. "Und sie haben uns im Sommer noch einmal schriftlich belogen." Es gibt jetzt auch die Lesart, die Vereinbarung aus dem Jahr 2002 habe sich nicht auf ganz Deutschland, sondern nur auf den früheren Abhörposten der NSA in Bad Aibling bezogen. "Da müssen wir was missverstanden haben", sagt ein NSA-Kritiker.

In den vergangenen Monaten haben amerikanische Geheimdienste versichert, deutsche Staatsbürger nicht von ihrem Geheimdienststützpunkt bei Darmstadt, dem Dagger-Komplex, und nicht von einem neuen Lauschposten auf dem Gelände des US-Hauptquartiers in Wiesbaden abzuhören. Die US-Botschaft in Berlin, von der aus angeblich die Kanzlerin abgehört wurde, wird bei den neuen Zusicherungen mit keinem Wort erwähnt.

In einer früheren Version dieses Textes entstand der Eindruck, Angela Merkel sei am Beginn der Abhörmaßnahmen 2002 bereits Bundeskanzlerin gewesen. Tatsächlich war sie zu diesem Zeitpunkt als CDU-Vorsitzende Chefin der größten Oppositionspartei. Wir haben den Text entsprechend verändert.

© SZ vom 25.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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