Süddeutsche Zeitung

Heimattreue Deutsche Jugend:"In klarer Tradition der Hitlerjugend"

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Die Heimattreue Deutsche Jugend vermittelt Kindern bei Zeltlagern rechtsextreme Inhalte. Innenminister Schäuble prüft nun ein Verbot des Vereins.

Julia Troesser

Auf den ersten Blick sind es ganz normale Zeltlager: Tagsüber spielen die Kinder auf dem Gelände, abends sitzen sie mit Betreuern am Lagerfeuer beisammen. Die Zeltlager der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) locken Kinder mit Pfadfinder-Romantik. Doch was als harmloses Freizeitvergnügen inszeniert wird, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Nachwuchsförderung von Neonazis.

Am vergangenen Freitag löste die Polizei ein solches Zeltlager bei Hohen Sprenz in Mecklenburg-Vorpommern auf, das die HDJ organisiert hatte. Anwohner waren auf das allmorgendliche Wecken und die Fahnenappelle aufmerksam geworden und hatten das Jugendamt alarmiert.

Bei der Durchsuchung des Lagergeländes fanden die Polizisten NS-Symbole wie Hakenkreuze sowie Kassetten, Bücher und Landkarten, die darauf hinweisen, dass den 39 Kindern zwischen acht und 14 Jahren dort rechtsextreme Inhalte nähergebracht wurden. Die Ferienkinder hatten alle Vollmachten ihrer Eltern, die dem Aufenthalt zustimmten.

Die Vereinigung, die sich "Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." nennt, ist laut einer Stellungnahme des Bundesinnenministeriums fester Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums. Trotzdem ist die Vereinigung erlaubt - noch. Innenminister Wolfgang Schäuble prüft nun ein Verbot.

Die Vereinigung wurde 1990 gegründet und gilt als Nachfolge-Organisation der rechten "Wiking-Jugend", die 1994 verboten wurde. Die HDJ verfügt nach Angaben des Innenministeriums über eine bundesweite hierarchische Gliederung und hat mehrere hundert Mitglieder. Außerdem bestehen Verbindungen zur neonazistischen Kameradschafts-Szene und zur NPD. So sind die HDJ-Aktivisten Timo Müller, Stella Hähnel und Jörg Hähnel gleichzeitig Mitglieder der NPD.

Innere Werte statt Konsumdenken

Auf ihrer Homepage bezeichnet sich die HDJ als "die aktive, volks- und heimattreue Jugendbewegung für alle deutschen Mädel und Jungen im Alter von 7 bis 29 Jahren". Die Mitglieder lehnten einen Konsum- und Markenzeitgeist ab, ist weiter zu lesen. "Bei uns zählt nicht derjenige, der die teuersten Markensachen besitzt, sondern bei uns zählen innere Werte: Haltung, Charakter und Auftreten", heißt es im Internet.

In Wirklichkeit geht es der Organisation aber um etwas ganz anderes, sagt der Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner: "Die HDJ betreibt Propaganda für ein Verbrechersystem und ist eng mit Alt-Nazis verzahnt". Die Organisation sei ein Netzwerk von Nationalisten und Rassisten, die das Germanentum kultivieren.

"Die Idee der HDJ ist es, eine artgerechte Nachzucht zu schaffen, die Mitglieder verfolgen eine Art deutsches Genpool-Denken", sagt Wagner. Ein Verbot der Organisation sei nur "recht und billig", so der Experte. Der deutschen Bevölkerung sei ein solcher Verein nicht weiter zuzumuten.

Die Zeltlager der HDJ sind nur ein Bestandteil der neonazistischen Nachwuchsförderung. Der Verein veranstaltet außerdem "regionale Einheitstreffen", Liederabende und Leistungsmärsche, bei denen die Kinder in drei Tagen 150 Kilometer zurücklegen müssen.

Darüber hinaus veröffentlicht die HDJ vierteljährlich das Vereinsmagazin Funkenflug, das den Slogan "Jung - stürmisch - volkstreu" trägt. Es enthält Texte, die laut Innenministerium den Nationalsozialismus verherrlichen und antisemitische Einstellungsmuster deutlich machen.

Die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel sagte der Nachrichtenagentur dpa, die HDJ sei keine harmlose Pfadfinderorganisation, sondern stehe in klarer Tradition der Hitlerjugend. Auch die Abkürzung HDJ, die an das Kürzel HJ der Hitlerjugend erinnert, deute auf diesen Zusammenhang hin.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Ahrend sagte in einer Pressemitteilung: "Es ist unbegreiflich, warum nachweislich extremistische Vereine nach Gutdünken ihr Unwesen treiben, während der Staat dabei tatenlos zusieht. Die FDP-Bundestagsfraktion ist ungeteilter Meinung, dass die Heimattreue Deutsche Jugend umgehend verboten werden muss."

"Paramilitärisch geschult"

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte ein Verbot der HDJ. "Ein brauner Verein, der Zeltlager wie in der NS-Zeit organisiert und das Dritte Reich verherrlicht, muss verboten werden", sagte Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch. " So etwas darf es in Deutschland und darüber hinaus nicht wieder geben."

Dieser Meinung schloss sich Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linken-Frakrion an: "Mit der Lauheit im Kampf gegen Neonazis muss endlich Schluss sein." Der baden-württembergische Grünen-Landtagsabgeordnete Uli Sckerl ist ebenfalls für ein Verbot der HDJ: "Wer ihnen in die Fänge geht, wird knallhart nationalsozialistisch erzogen und paramilitärisch geschult", sagte er.

Markus Beyer, Sprecher des Innenministerium, hat Verständnis für die Sorgen der Politiker: "Es besteht kein Zweifel an der neonazistischen Ausrichtung der Vereinigung". Deshalb hat das Ministerium die HDJ auch schon seit einiger Zeit im Blick, verbot im letzten Jahr die Uniformen des Vereins und nahm ihn in den Verfassungsschutzbericht 2007 auf.

"Zielsetzung der HDJ ist es, über zunächst unpolitisch erscheinende Aktivitäten Jugendliche und Kinder an rechtsextremistisches Gedankengut heranzuführen. Unter Vorspiegelung einer jugendpflegerischen Tätigkeit betreibt sie eine gezielte Ideologisierung ihrer Mitglieder", heißt es dort.

Offen bleibt die Frage, warum der Verein bislang noch nicht verboten wurde. "Wir dürfen über laufende Projekte keine Auskunft geben, da sonst das Verfahren gefährdet wird", sagt Beyer.

Sollte das Innenministerium den Verein tatsächlich verbieten, wird es die HDJ in Zukunft nicht mehr geben. Die Ideologie der heimattreuen Mitglieder lässt sich so leicht aber nicht aus der Welt schaffen.

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