Bundeshaushalt:Großes Versprechen, kleines Budget

Bundesinnenminister Horst Seehofer 2019 in Berlin

Horst Seehofer, Bundesminister für Inneres, Bauen und Heimat.

(Foto: dpa)
  • Das Heimatministerium soll als Teilressort des Innenministeriums die Spaltung der Gesellschaft bekämpfen.
  • Allerdings sind gerade mal 0,3 Prozent des Budgets der Behörde für diese Aufgabe vorgesehen.
  • Dies liegt auch daran, dass sich das Heimatministerium vor allem als Ideen-Geber denn als Problemlöser sieht.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Zahlen sind ernüchternd. Und wer sich von Horst Seehofers Groß-Idee viel versprochen hat, dürfte beim ersten Blick sogar erschrecken: Im Rahmen des für 2020 geplanten Gesamthaushalts des Bundesinnenministeriums (BMI), der sich auf rund 16 Milliarden Euro beläuft, hat der Teil des Innenministeriums, der sich um das Thema Heimat kümmert, bis jetzt - wenn überhaupt - gerade mal dreißig, vierzig Millionen Euro bekommen. 0,3 Prozent des Ministeriumsbudgets, ein winziger Bruchteil nur des gesamten Bundeshaushalts - damit kann man keine großen Sprünge machen. So laut und entschieden Horst Seehofer mit seiner Idee eines Heimatministeriums gestartet ist, so still ist es seither um dieses Mysterium geblieben. Zumal am Mittwoch selbst seine Sprecherin auf Nachfrage keine Details zu diesem kleinen Haushaltsposten liefern konnte.

Damit ist viel gesagt über die Frage, welche Möglichkeiten Seehofer hat, beim Thema Heimat mit staatlichen Mitteln selbst große Initiativen anzustoßen. Er hat derer sehr wenige. Es ist nicht schwer, daraus den Schluss zu ziehen: Das große Thema hat dem Minister jedenfalls auf den ersten Blick nicht viel zusätzliche Macht gebracht. Und bislang, so viel lässt sich hinzufügen, sind auch die Veränderungen draußen im Land gering geblieben.

Dabei saß allen im Sommer und Herbst 2017 der Schreck in den Knochen, als die Kanzlerin, die SPD und auch Horst Seehofer während des Bundestagswahlkampfs zu spüren bekamen, dass der Ton in der politischen Auseinandersetzung immer rauer geworden ist. Zorn, Abgrenzungen, Beschimpfungen haben sich mit Wucht ausgebreitet. Als am Wahlabend aus Sorge Gewissheit wurde, dass nicht nur die liberale FDP ins Parlament zurückkehren, sondern auch die AfD mit gut zwölf Prozent der Stimmen einziehen würde, war klar: Es braucht eine Antwort auf die wachsende Spaltung im Land.

Natürlich wussten alle, dass die aggressive Stimmung nicht nur soziale Ursachen hatte. Aber insbesondere die mit politischer Verantwortung in Berlin spürten, dass die soziale Schere im Land mancherorts groß geworden war. So groß jedenfalls, dass mehr und mehr Menschen sich verunsichert und abgehängt fühlten; dass sie drauf und dran waren, sich von der Politik, den Parteien, der Demokratie abzuwenden. Und dass die neue Bundesregierung darauf zwingend reagieren musste.

Und doch ist das Haus mindestens nach außen noch nicht wirklich in Erscheinung getreten. Zum eher schwer zu berechnenden finanziellen Einsatz kommt bis jetzt ein fast schon demonstratives Desinteresse, sich öffentlich einzusetzen. Ist Horst Seehofer mal übers Land gefahren, um zu sehen, zu erleben, was da los ist? Hat er sich dort gezeigt, wo es politisch wehtut? Wo die Leute nicht klatschen, sondern kritisch schauen, wenn Berliner Politiker aufkreuzen? Interessiert ihn das überhaupt - zu spüren, wie es den Menschen geht, die sich abwenden?

Sollte das der Fall sein, dann hat das bis jetzt jedenfalls kaum jemand mitbekommen. Nicht durch einen glaubwürdigen Einsatz; nicht durch Auftritte, die ehrliche Leidenschaft zeigen würden. Bislang bleibt deshalb ein fahles Gefühl zurück; dass da einer was versprochen hat, das ihn in Wahrheit nicht wirklich rasend interessiert.

Dabei hat selbst die Kanzlerin das Thema jüngst geadelt. "Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse", sagte Angela Merkel der Wochenzeitung Die Zeit, "ist die vielleicht wichtigste politische Aufgabe". Ähnliches hatten Seehofer und die versammelte Führung der neuen Koalition auch bei der Formulierung des Koalitionsvertrags versichert. Schon in der Präambel schrieben sie Anfang 2018 das Ziel fest, sich für Stabilität, Zusammenhalt und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse überall in Deutschland einzusetzen. Von einem "gesamtdeutschen Auftrag" war in diesem Zusammenhang die Rede. Sie versprachen, die Spannungen überwinden zu wollen. "Wir nehmen die Ängste der Menschen ernst und wollen ihnen durch unsere Arbeit umfassend begegnen."

Ob das angesichts des bisher Erkennbaren erreicht werden kann, ist offen. Wer aber reinhört in das Haus von Horst Seehofer, der bekommt immerhin eine etwas andere Beschreibung der Aufgabenverteilung zu hören. Schon zum Start hatte der zuständige Staatssekretär Markus Kerber erklärt, das Ministerium habe vor allem eine konzeptionelle Aufgabe und sei "kein Förderprogramm-Ministerium". Tatsächlich sieht sich Seehofers Heimat-Mannschaft bislang eher als Diagnose-Institution und nicht als sofortiger Problembeheber. Um das Ziel aus dem Koalitionsvertrag zu erreichen, sei deshalb nicht nur das Heimatministerium gefragt, sondern das gesamte Kabinett, heißt es. Nicht das Innenministerium, sondern alle anderen Ressorts seien mithin zuständig, um auf die Vorschläge des Innenministeriums mit Investitionen und Initiativen zu reagieren.

Einer, der mit all dem engstens vertraut ist, spricht davon, das Ministerium sei der "pain in the neck" der anderen Ministerien. Also der Quälgeist, der darauf achte, dass sich die anderen entsprechend einsetzen. Als Idee mag das den Seehofer-Leuten gefallen. Außerdem können sie durchaus darauf verweisen, dass das BMI es erzwungen habe, bei den Auktionen der neuen 5G-Mobilfunklizenzen darauf zu achten, dass für die Vergabe wirklich alle Ecken des Landes erreicht werden müssen. Und sie erinnern daran, dass auch die Dezentralisierung von Bundesbehörden auf einen Vorschlag aus dem Heimatministerium zurückgehe. So werde die neue Cyberagentur nach Halle gehen und nicht nach München.

Eines allerdings darf bei all dem nicht passieren: dass die Verteilung der Anstrengungen auf die verschiedenen Ministerien am Ende dazu führt, dass keiner mehr sagen kann, was das Heimatministerium tatsächlich bewirkt und gebracht hat. Wer so einen großen Stein ins Wasser wirft, muss auch dafür sorgen, dass man hinterher transparent nachvollziehen kann, wie die Sache ausging. Sonst bliebe es Symbolpolitik - und das bei einem Minister, dem keineswegs fremd ist, auch mal nur einfach symbolisch zu agieren. Wenn es um die sozialen Spannungen im Land geht, wäre das nicht clever, sondern nachgerade gefährlich.

Zur SZ-Startseite
CSU-Gremiensitzung

SZ PlusCSU
:Der Himmel über Horst Seehofer

Vor gut einem Jahr war Horst Seehofer noch der Alleinherrscher der CSU. Wie kann Macht so schnell verfallen? Besuch bei einem Mann, um den es einsam geworden ist.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: