Süddeutsche Zeitung

Heiko Maas:Diplomatischer Zwilling

Einen Monat lang sitzt Deutschland dem UN-Sicherheitsrat inne. Beim Besuch in New York sieht man den Außenminister selten ohne den Kollegen aus Paris. Das ist auch ein Warnsignal an die Amerikaner.

Von Daniel Brössler, New York

Als der Airbus mit Außenminister Heiko Maas an Bord am Morgen auf dem New Yorker Flughafen John F. Kennedy landet, ist das schon mal gut. Es ist der erste Einsatz der "Konrad Adenauer", seit die Besatzung Ende November wegen einer schweren Panne einen Flug zum G-20-Gipfel nach Buenos Aires abbrechen und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Flughafen Köln/Bonn absetzen musste. Zur Verwunderung und teils Erheiterung der Weltöffentlichkeit war Merkel damals gezwungen, auf einen Iberia-Linienflug umzusteigen, und kam deutlich zu spät. Ähnliches bleibt Maas erspart, pünktlich kommt er trotzdem nicht. Bei der Landung platzt ein Reifen, was keine große Sache ist, aber im Ergebnis doch wieder ein bisschen peinlich. Deutschland hat seit Montag für einen Monat den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen inne. Die erste Sitzung muss erst einmal ohne den deutschen Vorsitzenden beginnen.

Der Streit um Waffenexporte: Wo die Harmonie zwischen Deutschen und Franzosen endet

Deutschland wolle nicht nur helfen, "dass der Sicherheitsrat seiner Rolle im Krisenmanagement gerecht wird", sagt Maas vor Beginn, sondern auch "eigene Themen auf die Tagesordnung" setzen. Das erste dieser Themen ist am Montag der Schutz von humanitären Helfern in Konfliktgebieten. "Krankenhäuser, Ärzte und Helfer werden immer häufiger zur Zielscheibe, der Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung als Mittel der Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung missbraucht", so Maas. Zunächst spricht er auf einer informellen Sitzung des Sicherheitsrates, die allen UN-Mitgliedern offensteht, bei einem offiziellen Briefing geht es um eine Bestandsaufnahme. Vertreter von Hilfsorganisationen wurden eingeladen, um die teils katastrophale Lage zu schildern. In acht Jahres des Kriegs wurde in Syrien die Hälfte aller medizinischen Einrichtungen zerstört. Allein 2018 verzeichnete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dort 139 Angriffe auf Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen, bei denen fast 300 Menschen getötet oder verletzt wurden. Der Nordosten Nigerias leidet unter dem Terror der Islamistenmiliz Boko Haram. Dort fehlen Sicherheitsgarantien für internationale Helfer, so dass 800 000 Menschen nicht versorgt werden können. "Diesen Trend zur völligen Entgrenzung müssen wir stoppen. Sonst droht ein Abgleiten in neue Barbarei", fordert Maas.

Deutschland ist seit Januar für zwei Jahre Mitglied des Sicherheitsrates und will sich dort, wie Maas immer wieder betont hat, für den Erhalt der "regelbasierten Ordnung" und den Multilateralismus stark machen. Was das heißen kann, zeigte sich vergangene Woche, als der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen sich die USA vorknöpfte: Er prangerte die Missachtung mehrerer Nahost-Resolutionen des Sicherheitsrates durch die USA an - zuletzt die Anerkennung der Souveränität Israels über die völkerrechtlich zu Syrien gehörenden Golanhöhen, die US-Präsident Donald Trump auf Twitter verkündet hatte. Auf die wachsende Kluft zu den USA versucht die Bundesregierung auch durch einen demonstrativen Schulterschluss mit Frankreich zu reagieren. In New York wirken Maas und der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian wie diplomatische Zwillinge, sie weichen einander kaum von der Seite. Maas war erst am Freitag in New York gewesen, um dem Ende des französischen Vorsitzes beizuwohnen, Le Drian zeigt sich eigens beim Beginn des deutschen Vorsitzes. Eigentlich, so wollen sie es verstanden wissen, ist es ein gemeinsamer Vorsitz. "Das ist neu bei den Vereinten Nationen", sagt Maas.

Warum sich Heiko Maas eine "Allianz für den Multilateralismus" wünscht

Auch diese Partnerschaft ist allerdings nicht frei von Reibungen. So knirschte es zuletzt zwischen Paris und Berlin wegen des Streits um den deutschen Exportstopp von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien. Die Franzosen waren, wie die Briten, verärgert, weil deutsche Zulieferungen für eigene Exporte oder Gemeinschaftsprodukte ausblieben. Zwar hat die Bundesregierung vergangene Woche das Embargo auf Wunsch der SPD um sechs Monate verlängert, es zugleich deutschen Rüstungsherstellern aber wieder ermöglicht, Teile zu liefern, solange keine fertigen Produkte in Saudi-Arabien landen. Beigelegt ist der Grundsatzstreit mit Frankreich um Rüstungsexporte damit aber noch lange nicht.

Das Thema überschattete auch den Besuch Le Drians bei einer Kabinettssitzung in Berlin am vergangenen Mittwoch. Spürbar wurde überdies die anhaltende Irritation über die Antwort der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer auf einen Europa-Appell von Präsident Emmanuel Macron. Viele seiner Vorschläge hatte sie abgelehnt oder ins Leere laufen lassen, sich dafür aber für einen europäischen Sitz im Sicherheitsrat ausgesprochen - also auf Kosten des ständigen Sitzes der Vetomacht Frankreich.

Dabei steht im Aachener Vertrag, den Merkel und Macron im Januar unterzeichneten, etwas ganz anderes. Dort sagt Frankreich zu, das deutsche Streben nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu unterstützen. Das mit dem EU-Sitz sei doch eher eine "langfristige Angelegenheit", beschwichtigt Maas. Derlei Widersprüche werden in New York möglichst nicht öffentlich zelebriert. Lieber laden Maas und Le Drian an diesem Dienstag zu einer Veranstaltung zur "Allianz für den Multilateralismus". Wer da alles dabei ist und was so eine Allianz in der Praxis bewirken kann gegen die Alleingänge Trumps oder auch des russischen Präsidenten Wladimir Putin, war bisher eher unscharf geblieben. Auf einer Pressekonferenz wollen Maas und Le Drian nun Antworten geben.

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SZ vom 02.04.2019
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