Süddeutsche Zeitung

Afghanistan:Maas warnt vor falschen Hoffnungen

Deutschland will nur frühere Ortskräfte und bereits identifizierte Schutzbedürftige aufnehmen, stellt der Außenminister klar. Es soll sich um mehr als 40 000 Menschen handeln.

Von Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger, Taschkent/Duschanbe

Die USA haben am späten Montagabend den Abzugs ihres Militärs aus Afghanistan abgeschlossen und den 20 Jahre dauernden Einsatz dort beendet, das teilte General Kenneth McKenzie mit, der Chef des für die Region zuständigen Central Command. Der US-Botschafter habe mit dem letzten C-17-Flugzeug das Land verlassen.

Am selben Tag hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) die Menschen in Afghanistan vor falschen Hoffnungen auf Zuflucht in Deutschland gewarnt. Deutschland bemühe sich lediglich darum, deutsche Staatsbürger, ehemalige Ortskräfte und bereits identifizierte "sonstige Schutzbedürftige" in Sicherheit zu bringen, stellte Maas am Montag nach einem Gespräch mit dem usbekischen Außenminister Abdulaziz Komilov in Taschkent klar. "Es geht uns nur um diese Personengruppe."

Usbekistan sei bereit, "uns für diese Personengruppe zu helfen. Darüber hinaus haben wir keine Anfrage gestellt", betonte er. In der Bundesregierung wird, Familienangehörige eingeschlossen, von mehr als 40 000 Personen ausgegangen, die nach der Machtübernahme der Taliban eine Zusage für eine Aufnahme in Deutschland erhalten haben.

Maas war am Sonntag zu einer viertägigen Reise in die Region aufgebrochen, um nach dem Ende der militärischen Luftbrücke aus Kabul Hilfe bei der Evakuierung dieser Schutzbedürftigen zu erbitten. Neben der Wiederherstellung des zivilen Flugbetriebs geht es dabei um Ausreisemöglichkeiten auf dem Landweg. "Das sind sehr diffizile Fragen, die sich da stellen. Das ist sehr kompliziert", räumte Maas ein.

Nötig sei es, Absprachen mit den Taliban zu treffen, sagte Maas, mit denen er selbst aber nicht direkt sprechen wolle. Über die genauen Ausreisewege soll nach seinem Willen nicht öffentlich gesprochen werden, um die Routen für die Berechtigten offen zu halten. "Letztlich wollen wir eines vermeiden: nämlich, dass das, was sich in Kabul am Flughafen ereignet hat, wiederholt", sagte er.

Deutlich wurde während der Maas-Reise die Sorge vor massenhaften Fluchtbewegungen aus Afghanistan für den Fall zunehmender Not in dem mittlerweile weitgehend von den Taliban kontrollierten Land. "Es kommt darauf an, Hilfsangebote für die Menschen in Afghanistan zu formulieren", sagte Maas. Deutschland habe 100 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Afghanistan sowie 500 Millionen für die Nachbarländer bereitgestellt.

Bei einem Gespräch mit dem Präsidenten Tadschikistans, Emomali Rachmon, bekräftigte Maas am Nachmittag in Duschanbe, Deutschland mache sich "große Sorgen über die regionale Stabilität nach den Ereignissen, die es in Afghanistan in den letzten Wochen gegeben hat". Außenminister Sirojiddin Muhriddin sprach von einer "unberechenbaren Situation" in dem Nachbarland.

Von Duschanbe aus nahm Maas an einer von US-Außenminister Antony Blinken einberufenen Videoschalte der G-7-Staaten, der Türkei und Katars teil. Abgestimmt werden sollte das gemeinsame Vorgehen in den "kommenden Tagen und Wochen". Am Abend wurde Maas in Pakistan erwartet. Von dort wollte er nach Katar weiterreisen.

Der UN-Sicherheitsrat hat den Druck auf die Taliban erhöht, Afghanen ungehindert ausreisen zu lassen. Mit 13 Ja-Stimmen nahm das mächtigste UN-Gremium eine entsprechende Resolution am Montag an, Russland und China enthielten sich. In der Resolution, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, verweist der Sicherheitsrat auf Zusagen der Taliban vom Freitag, dass Afghanen das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehindert verlassen dürften. Der Sicherheitsrat "erwartet, dass die Taliban diese und alle anderen Verpflichtungen einhalten", heißt es darin.

In Kabul feuerten mutmaßlich IS-Terroristen am Montagmorgen Raketen auf den Flughafen, die aber nicht trafen oder dort keinen Schaden anrichteten. Von Sonntagmorgen bis Montagmorgen flogen die USA nochmals 1250 Menschen von dort aus. Die Taliban gaben bekannt, ihr Oberhaupt, Mullah Hibatullah Achundsada, befinde sich in Afghanistan und führe in Kandahar Gespräche mit Stammesführern. Sein Aufenthaltsort war jahrelang öffentlich nicht bekannt.

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