Heckler & Koch:Waffenlieferungen nach Mexiko: "Viel Glück in Acapulco"

An assault rifle, which was seized from a house during an operation, is held up by a member of the Community Police of the FUSDEG during a presentation in the village of Petaquillas

Allseits begehrtes Gerät: Ein Polizist im mexikanischen Bundesstaat Guerrero hält ein beschlagnahmtes G36-Sturmgewehr hoch. Polizei und Militär haben selbst Tausende G36 aus Deutschland gekauft.

(Foto: REUTERS)
  • Heckler & Koch soll Gewehre in mexikanische Bundesstaaten verkauft haben, in denen die Menschenrechtslage aus Sicht der Bundesregierung als kritisch gilt.
  • Der Handel soll demnach ohne die Genehmigung deutscher Rüstungskontrolleure stattgefunden haben.
  • Ab Mitte Mai beginnt deswegen der Prozess gegen sechs Mitarbeiter der Firma. Ihnen werden Verstöße gegen das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen vorgeworfen.

Von Klaus Ott und Nicolas Richter

Es gibt offenbar schlimmere Jobs, als in einem Krisenland deutsche Gewehre zu verkaufen. Zu Vorführungen kommen hohe Offiziere und örtliche Bürgermeister. Sie bestaunen die deutsche Technik, brandneu, frisch geölt. Herr B. war jahrelang Vertreter der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch in Mexiko. Er lieferte nicht nur, er organisierte auch Kurse für die Sicherheitskräfte: Man ging zum Schießstand, probierte die neuen G36-Gewehre aus, dann ging man essen in der nahen Kantine. Die Mexikaner waren begeistert vom deutschen Service, die Kollegen in Deutschland waren zufrieden mit den guten Geschäften und wünschten per Mail alles Gute: "Viel Glück in Acapulco."

Die Anträge sind so formuliert, dass die Bundesregierung keinen Ärger macht

Als lästig empfanden die Mitarbeiter von Heckler & Koch eigentlich nur die Bürokraten in der Heimat: Die Beamten in den Berliner Ministerien nämlich achteten penibel darauf, dass die G36-Gewehre nicht in unruhigen Weltgegenden landeten. Zum Beispiel im mexikanischen Bundesstaat Guerrero am Pazifik. Dort, wo auch Acapulco liegt, und wo Drogenbanden, nicht zuletzt aber Mexikos brutale Sicherheitskräfte für immer neue Gewaltexzesse sorgen.

Der Waffenhändler B. und mehrere Manager von Heckler & Koch aber sollen sich einig gewesen sein, sich das mexikanische Geschäft nicht von den Bürokraten vermiesen zu lassen. Also sollen sie - so legen es die Erkenntnisse deutscher Ermittler nahe - getäuscht und manipuliert haben. Zwischen 2006 und 2009 verkaufte Heckler & Koch demnach für gut vier Millionen Euro insgesamt 4700 G36-Gewehre sowie Zubehör zum Verbleib in den mexikanischen Staaten Jalisco, Chiapas, Guerrero und Chihuahua - obwohl die Menschenrechtslage dort aus Sicht der Bundesregierung als kritisch galt, und folglich auch ohne Genehmigung deutscher Rüstungskontrolleure.

Von Mitte Mai an müssen sich zwei frühere Geschäftsführer, zwei Ex-Vertriebsleiter, eine damalige Vertriebsmitarbeiterin und der einstige Mexiko-Vertreter der Waffenschmiede vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Die örtliche Staatsanwaltschaft wirft ihnen Verstöße gegen das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen vor. Heckler & Koch erklärte auf Anfrage, man werde "zu gegebener Zeit Stellung beziehen". Die Waffenfabrik verwies auf den anstehenden Prozess. Der könnte lebhaft werden. Selbst der frühere Mexiko-Vertreter B., er ist Bürger des Landes und lebt dort, dürfte vor Gericht erscheinen. Die Justiz hat ihm jüngst freies Geleit zugesichert. Er kann also anreisen, zuhören und aussagen, ohne gleich verhaftet zu werden. B. ist ein redseliger Typ. In einer TV-Dokumentation der ARD hat er sich einmal mit den Worten verteidigt, er fühle sich von Heckler & Koch "verarscht und ausgenutzt".

Die Mexiko-Geschäfte der deutschen Waffenschmiede sind beschrieben in einer knapp 200-seitigen Anklageschrift. Diese Geschäfte erinnern nicht nur daran, dass deutsche Rüstungsgüter in so gut wie jedem bewaffneten Konflikt der Welt auftauchen. Sie erzählen auch von einem typisch deutschen Dilemma: Einerseits möchte sich Deutschland vorbildlich verhalten, andererseits möchte Deutschland unheimlich gern mit seinen Exportgütern Geld verdienen. Wenn sich beides widerspricht, muss zuweilen geschummelt werden.

Die Geschichte beginnt 2005, es ist das letzte Jahr der Kanzlerschaft Gerhard Schröders. Mexikos Regierung rüstet gerade auf für den Drogenkrieg, die zentrale Beschaffungsstelle des Verteidigungsministeriums möchte deutsche Sturmgewehre kaufen und die Waffen im ganzen Land verteilen, an Soldaten und Polizisten. Die Bundesregierung muss das Geschäft billigen und möchte wissen, in welchen Staaten Mexikos denn der "Endverbleib" der Waffen sei. Als Heckler & Koch die Staaten Jalisco, Chiapas und Chihuahua nennt, meldet das Auswärtige Amt Bedenken an, denn in diesen Staaten drohten Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte. Mitarbeiter von Heckler & Koch erfahren bald von den Schwierigkeiten und klagen darüber, dass man ihnen offenbar Steine in den Weg lege.

Schon hier offenbart sich das deutsche Dilemma zwischen Moral und Export. Statt Waffengeschäfte mit Mexiko generell zu verbieten, tut die Bundesregierung dies nur für bestimmte Teile des Landes. Als könnten Waffen nicht frei zirkulieren. Deutschland will nicht in Krisengebiete exportieren, aber die nähere Umgebung der Krisengebiete gilt als unproblematisch.

Vor lauter Tricksereien, klagt ein Mitarbeiter, blicke er selbst nicht mehr durch

Heckler & Koch löst das Problem auf seine Weise. Kaum deutet sich der Ärger in Berlin an, hat der Waffenhändler B. das mexikanische Militär schon um neue Papiere gebeten. In den neuen Formularen über den "Endverbleib" der Sturmgewehre tauchen Problemstaaten nicht mehr auf. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Stuttgart besteht kein Zweifel darüber, was hier geschehen sei: Die Mexikaner hätten die Papiere pro forma so geändert, dass Berlin zustimmen konnte. Die Gewehre wurden dann auch im Februar 2006 in der ursprünglich geplanten Menge nach Mexiko exportiert. Wollte die Bundesregierung den offensichtlichen Schwindel nicht sehen?

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