Haushaltsstreit in den USA:Wieso die Republikaner den Machtkampf verloren haben

Boehner Walks Through Capitol in Washington DC

John Boehner, der Anführer der Republikaner im Repräsentantenhaus. Er wollte den "Shutdown" der Regierung nie, doch er beugte sich den rechten Hitzköpfen in seiner Partei.

(Foto: dpa)

Demokraten und Republikaner reden wieder miteinander, schon das gilt in Washington dieser Tage als Erfolg. Den kühlen Köpfen unter den Republikanern obliegt es jetzt, im Haushaltsstreit mit Obama einen geordneten Rückzug zu organisieren - denn das Image der sogenannten Grand Old Party hat stark gelitten.

Von Nicolas Richter, Washington

Am Donnerstagnachmittag sind knapp 20 Republikaner im Weißen Haus erschienen, um mit dem Präsidenten über das Budget zu sprechen. Eine Stunde blieben sie. Das allein schon galt in Washington als Erfolg: Nach mehr als einer Woche Shutdown, nachdem der Haushaltsstreit also die Regierung stillgelegt hatte, redeten Barack Obama und seine Gegner immerhin miteinander.

"Der Präsident freut sich, dass sich die kühleren Köpfe im Abgeordnetenhaus durchzusetzen scheinen", sagte Obamas Sprecher.

Den kühlen Köpfen unter den Republikanern obliegt es, einen geordneten Rückzug zu organisieren; den Rückzug aus einem Machtkampf, den vor allem rechte Hitzköpfe wollten und den die Republikaner weitgehend verloren haben.

John Boehner, der Anführer der Republikaner im Parlament, hat einen Plan vorgelegt, der den Shutdown zwar nicht beenden, aber zumindest sicherstellen würde, dass der Staat bis zum 22. November liquide bliebe; zur befürchteten Zahlungsunfähigkeit bereits am 17. Oktober käme es demnach nicht. Die Bedingung der Republikaner lautete zunächst nur, mit Obama über eine langfristige Senkung des Staatsdefizits verhandeln zu dürfen. Ihre alte Bedingung hingegen, wonach Obama zuerst seine Gesundheitsreform beschneiden müsse, spielt kaum eine Rolle mehr.

Folgen des Streites werden vor allem den Republikanern angelastet

Wie auch immer das Feilschen um Haushalt und Schuldenobergrenze nun weitergeht: Die Republikaner haben einsehen müssen, dass ihre Taktik der vergangenen Wochen gescheitert ist. Unter dem Einfluss der populistischen Tea-Party-Fraktion hatte die republikanische Mehrheit im Abgeordnetenhaus zwar einen Etat gebilligt, diesen aber an eine Bedingung geknüpft: Der Präsident müsse die Obamacare genannte allgemeine Pflicht zur Krankenversicherung zurücknehmen, verschieben oder abmildern. Obama und die demokratische Mehrheit im Senat lehnten dies kategorisch als Erpressungsversuch ab.

Das Scheitern des republikanischen Plans hat mehrere Ursachen. Die erste ist freilich, dass der Plan schlecht war, weil er sich kaum anders denn als Erpressung deuten ließ. Wie schon bei einer ähnlichen Eskalation in den Neunzigerjahren werden der Streit und seine Folgen jetzt überwiegend den Republikanern angelastet.

Sieben von zehn Amerikanern erklären in einer Umfrage des Senders NBC, die Republikaner stellten ihre Agenda vor das Wohl des Landes. Das Institut Gallup hat jüngst eine Zustimmungsrate für die Republikaner von 28 Prozent ermittelt - der niedrigste Wert in der Geschichte dieser Erhebung.

Selbst die Großspender wenden sich von den Republikanern ab

Grund zwei: Das Erscheinungsbild der so genannten Grand Old Party hat jüngst stark gelitten, war gezeichnet von Zwietracht und gegenseitigen Vorwürfen, vor allem zwischen den Gemäßigten und dem rechten Rand. Der Hardliner-Senator Ted Cruz spielte den Ersatz-Parteichef im Kampf gegen Obama, gewann aber nicht einmal in der eigenen Partei Sympathie.

Grund drei: die Großspender. Die Republikaner haben sich immer als Partei der Wirtschaftskompetenz verstanden und erhalten von Unternehmen viel Geld. Die Aussicht auf einen Staatsbankrott aber stimmt viele Geldgeber zunehmend missmutig. Zwar haben auch konservative Finanziers die Anti-Obamacare-Kampagne maßgeblich unterstützt, unter anderem die Milliardärsbrüder Charles und David Koch. Inzwischen aber haben die Kochs klargestellt, dass sie eine Schließung der Regierung im Kampf gegen die Gesundheitsreform nicht befürworten.

Der vierte Grund liegt darin, dass Obama und die Demokraten diesmal geschlossen bei ihrer Linie geblieben sind. Obama hatte schon nach seiner Wiederwahl erklärt, dass er sich vom Kongress nicht mehr erpressen lassen werde: Die Anhebung der Verschuldungsgrenze sei Pflicht des Parlaments, weil es damit bloß die Rechnungen bezahle, die durch seine eigenen Gesetze entstanden seien. Harry Reid, der Anführer der Demokraten im Senat, bestärkte Obama in dieser Haltung.

Boehner wollte den Shutdown nie

Nach dem Besuch der Republikaner am Donnerstag war das Weiße Haus bemüht, das Gespräch nicht "Verhandlung" zu nennen, denn die hat Obama ja ausgeschlossen, bis die Regierung wieder Geld bekommt.

Paradoxerweise hat der Rückzieher der Republikaner deren Anführer im Parlament, John Boehner, gestärkt. Boehner hatte immer den Shutdown vermeiden und stattdessen die Schuldengrenze nutzen wollen, um die Demokraten zum Sparen zu zwingen. Doch waren die Tea-Party-Aktivisten seiner Fraktion so versessen auf einen Kampf gegen Obamacare, dass Boehner deren Taktik übernahm.

Nun kehrt Boehner zum eigenen Konzept zurück. Den Rechten in seiner Fraktion kann er jetzt entgegenhalten, in ihrem Sinne alles versucht zu haben. Ein Aufstand gegen die Fraktionsspitze wird damit eher unwahrscheinlich. Die kühleren Köpfe haben nun wieder das Sagen.

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