Haushaltskompromiss im US-Kongress:Absturz abgewendet

Der seit Monaten schwelende Etatstreit in den USA ist beendet - zumindest vorerst: Das Repräsentantenhaus hat dem Kompromiss des Senats zugestimmt. Die Einigung in letzter Minute wendet massive Steuererhöhungen für Millionen Amerikaner zum Jahresanfang ab. Die Lösung des Streits beflügelt den Dax.

Der US-Haushaltsstreit ist beigelegt - zumindest vorerst. Nach stundenlangen Verhandlungen stimmte in der Nacht zum Mittwoch das Repräsentantenhaus für einen Kompromissvorschlag des Senats. Damit fehlt nur noch die Unterschrift von Präsident Barack Obama.

Der Staatschef reagierte sofort auf die Einigung zwischen seinen US-Demokraten und den Republikanern im seit Monaten schwelenden Haushaltsstreit. Obama sagte vor Journalisten im Weißen Haus, der Kompromiss sei jedoch nur ein erster Schritt, um die US-Wirtschaft zu stärken. Das Defizit sei immer noch zu hoch.

257 Abgeordnete in der von Republikanern beherrschten Parlamentskammer stimmten der Vorlage zu, die der Senat bereits zuvor mit großer Mehrheit verabschiedet hatte. 167 Abgeordnete votierten dagegen. Mit dem Kompromiss werden automatische Steuererhöhungen für fast alle US-Bürger verhindert und Ausgabenkürzungen zunächst aufgeschoben. Experten hatten einen Rückfall der USA in eine Rezession befürchtet - mit negativen Folgen für die globale Konjunktur.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Amerikaner mit einem Jahreseinkommen von mehr als 400.000 Dollar und Paare mit mehr als 450.000 Dollar Einkommen künftig mehr Steuern zahlen müssen. Der Spitzensatz steigt von 35 auf 39,6 Prozent. Gleichzeitig sollen seit Jahren geltende Steuererleichterungen für die Mittelschicht verlängert werden. Zudem ist vorgesehen, mehr als zwei Millionen Arbeitslosen weiter Leistungen zu zahlen. Auf Kapitalerträge und Dividenden müssen Großverdiener künftig 20 statt 15 Prozent abführen.

Obama dankte allen am Kompromiss Beteiligten. Er werde nun ein Gesetz unterzeichnen, das die Steuern für die zwei Prozent der Amerikaner erhöhe, die am reichsten seien. Zusätzliche Belastungen für die Mittelklasse seien vermieden worden.

Bis zuletzt war unsicher gewesen, ob der Gesetzentwurf tatsächlich durchkommt. Vor allem die von Obama durchgesetzten höheren Steuern für Spitzenverdiener lehnten viele Republikaner ab. Zudem wollten sie stärkere Einsparungen, um die hohen US-Schulden zu drücken. Die Debatte darüber wurde jedoch aufgeschoben.

Neuer Streit zeichnet sich ab

Formell waren die USA bereits am Neujahrstag von der sogenannten Fiskalklippe gestürzt. Allerdings blieben die Börsen am Dienstag geschlossen, weswegen es keine unmittelbaren Auswirkungen gab.

Die Börsen in Asien und Europa reagierten am Mittwoch mit kräftigen Gewinnen auf den US-Haushaltskompromiss. Der Dax legte um gut zwei Prozent zu und steht mit mehr als 7700 Punkten auf dem höchsten Stand seit Januar 2008. Auch der europäische Index EuroStoxx 50 gewann kurz nach Handelsstart etwa 1,7 Prozent. Zwar öffnen die Börsen in China und Japan erst am Freitag wieder, doch der länderübergreifende MSCI Asia Apex 50, der die Aktienkurse der 50 größten Unternehmen Asiens mit Ausnahme Japans enthält, kletterte am ersten Handelstag des neuen Jahres um fast 2,5 Prozent.

Die Debatte über die sogenannte "fiscal cliff" war über Monate hinweg für Händler weltweit ein zentrales Thema. Es war befürchtet worden, dass die automatischen Haushaltsmaßnahmen mit einem Volumen von 600 Milliarden Dollar die konsumabhängige US-Wirtschaft in eine Rezession reißen könnten. Analysten zufolge verschafft die nun unter großem Druck erreichte Lösung vorübergehend Erholung auf den Märkten.

Dem Land droht die Zahlungsunfähigkeit

"Das hält uns erst mal von der Rezession fern", sagt Menzie Chinn, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität von Wisconsin-Madison. Die grundlegende Furcht vor einem Abgleiten der US-Wirtschaft bliebe aber bestehen und könnte dazu führen, dass Firmen sich mit Investitionen zurückhielten und so Wachstum behinderten.

Die langfristigen Haushaltsprobleme der USA dürfte der nun gefundene Kompromiss nicht lösen - denn dem Land droht die Zahlungsunfähigkeit. In den kommenden Monaten stehen neue Verhandlungen an, unter anderem über einen neuen Sparplan, der im Frühjahr fällig wird.

Wie US-Finanzminister Timothy Geithner bekanntgab, haben die USA zum Jahresende ihre Schuldenobergrenze von 16,4 Billionen Dollar erreicht. Damit beginnen laut Geithner nun Haushaltsumschichtungen, damit das Land zumindest zwei Monate lang zahlungsfähig bleibt. Dies bedeutet wiederum, dass der Kongress die Schuldengrenze spätestens Ende Februar oder Anfang März erhöhen muss - genau dann, wenn das jetzt erst einmal vertagte umfassende Sparprogramm zum Defizitabbau neu festgezurrt werden soll.

Die Republikaner wollen nun mit allen Kräften dafür kämpfen, die Staatsausgaben zu reduzieren. Der Präsident habe einen ausgewogenen Ansatz zur Lösung der Haushaltsprobleme zugesagt - darauf werde man ihn festnageln, erklärte der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, John Boehner. Dazu gehörten dann auch "signifikante Ausgabenkürzungen und Reformen bei Sozialprogrammen, die unser Land tiefer und tiefer in Schulden treiben". Vertreter der rechten Tea-Party-Bewegung, die die Rolle des Staates auf ein Minimum begrenzen will, sprachen von einem "Desaster", weil weiterhin zuviel Geld ausgegeben werde.

Bereits im Sommer 2011 hatte ein Kampf im Kongress über die Schuldenobergrenze die USA an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Die Ratingagentur Standard & Poor's entzog der Kreditwürdigkeit des Landes die Bestnote, die Finanzmärkte gerieten in Panik.

Der jüngste Streit um die Fisklaklippe war eigentlich eine Folge der bitter erkämpften Einigung zur Schuldenobergrenze von vor anderthalb Jahren. Damals hatten sich US-Präsident Barack Obama und der Kongress auf die nun in letzter Minute abgewendeten, automatischen Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen verständigt, sollte bei Sparmaßnahmen für den Haushalt keine Übereinkunft zustande kommen. All das, fürchten Experten, könnte in kurzer Zeit wieder von vorne anfangen.

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