Haushalt:Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Der Bund hat im Jahr 2019 mehr Steuern eingenommen als erwartet. Doch Finanzminister Olaf Scholz weist alle Begehrlichkeiten zurück. Er setzt weiter auf einen ausgeglichenen Haushalt trotz Rekordinvestitionen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Kann man sich so verrechnen? Eigentlich hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für das Haushaltsjahr 2019 vorgesehen, 5,5 Milliarden Euro aus der Rücklage des Bundes zu nehmen, um am Ende eine schwarze Null schreiben zu können. Und dann das: Nachdem am vergangenen Freitag die Buchungen für das Haushaltsjahr 2019 abgeschlossen waren, stand unterm Strich ein historischer Überschuss. 13,5 Milliarden Euro. Und das ganz ohne Griff in die Rücklage.

Wie kann das passieren? Am Montag jedenfalls scheinen den Verantwortlichen selbst ein wenig die Worte zu fehlen. Wir freuen uns, ein erfreuliches Ergebnis vorzulegen, heißt es im Bundesfinanzministerium. Und der Minister sagt, dass alles jetzt ein wenig einfacher werde.

Ungeregelter Brexit, Wiederwahl Donald Trumps - der Teufel steckt für Scholz im Detail

Und natürlich haut Scholz schon mal allen vorsorglich auf die Finger, die sie jetzt nach den Milliarden Euro ausstrecken. Es sei viel zu tun in Deutschland, es müsse viel und dauerhaft investiert werden. Und der Rest des Geldes werde zurückgelegt für schlechte Zeiten, die sicher kommen, man solle nur an die Möglichkeit eines ungeregelten Brexit denken oder daran, dass Donald Trump als US-Präsident wiedergewählt werden könnte.

Bund erzielt Rekord-Überschuss

Ein ausgeglichener Haushalt trotz Rekordinvestitionen - das ist Finanzminister Olaf Scholz' (SPD) Ziel. Davon rückt er nicht ab.

(Foto: dpa)

Wer bislang noch daran gezweifelt hat, dass Scholz als Bundesfinanzminister dem Haushalt seine Handschrift verpasst, wird spätestens an diesem Montag eines Besseren belehrt. Scholz hat, ganz wie es seine persönliche Art ist, diverse Sicherheiten in der Haushaltsplanung anlegen lassen, die allesamt dazu dienen, dass er am Ende die politischen Ziele erfüllen kann. Also einen ausgeglichenen Haushalt mit Rekordinvestitionen vorzulegen. Besonders gut lassen sich Polster bei den Schuldzinsen anlegen. Geplant waren 17,4 Milliarden Euro; gebraucht wurden knapp zwölf Milliarden Euro. Bleiben schon mal sechs Milliarden Euro übrig. Ein paar Milliarden Euro waren für den ungeordneten Brexit eingestellt - der nicht kam. Und weil die Steuereinnahmen stärker als erwartet stiegen und dazu Geld aus verschiedenen Sondertöpfen nicht abgerufen wurde, sieht Scholz an diesem Montag aus wie Olaf im Glück.

Bemerkenswert ist auch, dass die einst von Vorgänger Wolfgang Schäuble geschaffene Asyl-Rücklage seit 2015 nicht angerührt wird, sondern weiter aufwächst. Die flüchtlingsbezogenen Kosten sind weitgehend konstant geblieben, während die jährlichen Überschüsse aus dem Bundeshaushalt in der Asylrücklage gebunkert werden - wo insgesamt 48 Milliarden Euro ungeplanter Überschuss lagern. Aus Sicht der Bundes hat das durchaus Charme: Das Geld, was er hineingibt, kann er auch ohne Weiteres wieder herausnehmen.

Das Problem, das die Bundesregierung hat, ist nicht das fehlende Geld. Sondern dass es noch immer zu wenig dort ankommt, wo es dringend gebraucht wird: in den Kommunen. Der Abfluss aus den extra für Kommunen aufgelegten Sondervermögen sei "überschaubar", heißt es am Montag. Von sieben Milliarden Euro, die der Bund für Kommunen bereitstellt, damit diese beispielsweise Schulen sanieren können, sind seit 2015 insgesamt zwei Milliarden Euro abgeflossen. Ein Grund: Länder und Kommunen haben noch immer nicht die Planungs- und Baukapazitäten aufbauen können, die nötig sind, "damit das Geld auf die Straße kommt", wie Experten sagen. Ein ähnlich trauriges Bild bietet sich beim Digitalfonds, der unter anderem den Ausbau des Glasfasernetzes befördern soll: 2,4 Milliarden Euro liegen im Topf, abgerufen sind 30 Millionen Euro.

Die Zahlen lesen sich wie eine Handlungsaufforderung. Im Bundesfinanzministerium heißt es dazu, man tue alles, um "mehr, schneller und unkomplizierter" zu investieren. Beispiele? Ja, sicher: Man habe zugesichert, dass die Mittel für Investitionen jetzt verlässlich hoch und langfristig fließen werden. Man habe auch viele zusätzliche Stellen bewilligt, um die Planungsabteilungen aufzufüllen. Bis alle besetzt sind, dauere es aber. Und ja, in den anderen Ministerien werde daran gearbeitet, das Bau-, Planungs- und Vergaberecht zu vereinfachen. Außerdem habe die Bundesregierung ein Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften auf den Weg gebracht.

Scholz persönlich hat sich des drängendsten Problems angenommen - der Altschuldenhilfe für Kommunen. In 2500 der 11 700 deutschen Gemeinden geht nichts voran, weil sie überschuldet sind, keine Kredite aufnehmen und damit nicht bauen können. Bis zum Sommer will Scholz alle 16 Bundesländer überzeugen, gemeinsam eine Lösung für die Altschulden zu finden.

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