Haushalt:Fraktionen erhalten 30 Prozent mehr Geld

July 4 2018 Berlin Germany Members of the Parliament cast their ballot for a vote during the

Mit dem Einzug von AfD und FDP hat sich die Zahl der Fraktionen im Deutschen Bundestag von vier auf sechs erhöht.

(Foto: imago/ZUMA Press)
  • Die Fraktionen im Bundestag bekommen für das Jahr 2018 mehr als 115 Millionen Euro. Das ist ein Anstieg um gut 30 Prozent.
  • Gründe dafür sind die höhere Zahl der Fraktionen und der Abgeordneten. Außerdem gibt es bei der Fraktionsfinanzierung keine Obergrenze.
  • Union und SPD haben außerdem eine Extra-Erhöhung von gut drei Millionen Euro wegen eines angeblichen "Nachrüstungsbedarfes bei der Digitalisierung und IT-Sicherheit" durchgesetzt.

Von Robert Roßmann, Berlin

Der Deutsche Bundestag hat bisher unbemerkt die Geldleistungen an die Fraktionen deutlich erhöht - sie steigen schlagartig um mehr als 30 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren waren sie insgesamt nur um knapp neun Prozent angehoben worden. Für das Haushaltsjahr 2018 sollen die Fraktionen jetzt insgesamt 115,253 Millionen Euro erhalten, im vergangenen Jahr waren es noch 88,097 Millionen Euro. Zusätzlich bekommen die Fraktionen Sachleistungen. Dazu zählen etwa die Bereitstellung von Büroräumen oder die Nutzung von Bibliothek, Wissenschaftlichem Dienst und Fahrdienst.

Im vergangenen Monat hatte bereits eine Ausweitung der staatlichen Parteienfinanzierung für erheblichen Unmut gesorgt. Union und SPD setzten Mitte Juni im parlamentarischen Schnelldurchgang - und gegen den Widerstand der Opposition - deutlich höhere Zuschüsse an die Parteien durch. Künftig bekommen sie insgesamt 190 statt 165 Millionen Euro jährlich, üblich ist eigentlich nur ein Inflationsausgleich. Die Fraktionen von FDP, Grünen und Linken haben deshalb eine gemeinsame Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Erhöhung angekündigt. Die AfD-Fraktion will in Karlsruhe eine Organklage erheben. Die FDP sprach damals von einem Verstoß gegen "die politische Hygiene" - die Linke klagte, das Vorgehen der großen Koalition sei "ein Konjunkturprogramm für Politikverdruss". Die noch stärkere Anhebung der staatlichen Leistungen für die Fraktionen hat dagegen noch zu keinem Protest der Opposition geführt. Aber wie kam es zu dem enormen Anstieg um 30 Prozent?

Mehr Abgeordnete, mehr Fraktionen und keine finanzielle Obergrenze

Seit der ersten Bundestagswahl ist das Berechnungsverfahren für die Geldleistungen an die Fraktionen mehrmals geändert worden. Heute findet sich die gesetzliche Grundlage in Paragraf 50 des Abgeordnetengesetzes. Dort heißt es: "Die Geldleistungen setzen sich aus einem Grundbetrag für jede Fraktion, aus einem Betrag für jedes Mitglied und einem weiteren Zuschlag für jede Fraktion, die nicht die Bundesregierung trägt (Oppositionszuschlag), zusammen." Im vergangenen Jahr haben die Fraktionen monatlich einen Grundbetrag von 411 313 Euro sowie je Abgeordneten weitere 8586 Euro erhalten. Das Abgeordnetengesetz verpflichtet den Bundestagspräsidenten, jedes Jahr einen Anpassungsvorschlag zu unterbreiten. Dieser Aufgabe ist Wolfgang Schäuble auch nachgekommen. Er hat unter Berücksichtigung der Inflationsrate und der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst eine Anhebung des Grundbetrags je Fraktion und des Extrabeitrags je Abgeordneten um gut drei Prozent vorgeschlagen. Dass aus diesen drei Prozent am Ende 30 Prozent mehr für die Fraktionen wurden, hat drei Gründe.

Zum einen hat sich die Zahl der Fraktionen im Bundestag mit dem Einzug von FDP und AfD von vier auf sechs erhöht. Zum anderen ist die Zahl der Bundestagsabgeordneten von 630 auf 709 gestiegen. Die Fraktionen profitieren finanziell also von ihrem Unvermögen, eine Wahlrechtsreform zur Begrenzung der Größe des Bundestags zu beschließen. Außerdem - und das ist der dritte Grund - gibt es bei der staatlichen Fraktionsfinanzierung anders als bei der Parteienfinanzierung keine gesetzliche Obergrenze, von der an die Ansprüche beschnitten werden. Die höheren Ansprüche durch die gestiegene Zahl der Bundestagsabgeordneten und Fraktionen schlagen also voll durch.

Auf Nachfrage verteidigten die Fraktionen von Union und SPD den Anstieg am Donnerstag als "angemessen". Sie beriefen sich dabei auf das geltende Berechnungsverfahren, das nun einmal zu diesem Ergebnis geführt habe. Und sie verwiesen darauf, dass Fraktionen - im Gegensatz zu Parteien - keine weiteren Einnahmequellen wie etwa Spenden hätten. Allerdings haben Union und SPD über den Vorschlag Schäubles hinaus eine Extra-Erhöhung durchgesetzt.

Die Kosten nach der Schäuble-Empfehlung hätten sich auf 111,896 Millionen Euro belaufen. Die beiden Koalitionsfraktionen beantragten im Rahmen der Haushaltsberatungen aber noch einen Bonus von gut drei Millionen Euro wegen eines angeblichen "Nachrüstungsbedarfes bei der Digitalisierung und IT-Sicherheit". So kam es zu den nun geltenden 115,253 Millionen Euro. Und zumindest dieser Teil des Anstiegs ärgert jetzt auch die Opposition.

Opposition kritisiert Extra-Erhöhung von gut drei Millionen Euro

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, sagte der SZ, er habe "die Attitüde der Fraktionen von Union und SPD, mit der sie zwei, drei Stunden vor der letzten Bereinigungssitzung im Ältestenrat noch mal gut drei Millionen Euro für die Fraktionen draufgeschlagen haben, dort aufs Schärfste kritisiert". Die große Koalition habe das "genauso durchgepeitscht" wie die Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung. Die FDP-Fraktion erklärte, sie habe die Erhöhung um gut drei Millionen Euro ebenfalls abgelehnt, vor allem wegen "der Kurzfristigkeit des Vorbringens und der aus unserer Sicht unzureichenden sachlichen Begründung des Vorhabens".

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, sagte der SZ, die Fraktionen bräuchten zwar "eine ausreichende finanzielle Ausstattung". Denn sie müssten "wichtige Kontroll- und Aufsichtsfunktionen gegenüber der Regierung wahrnehmen". Es sei deshalb richtig, die "Fraktionszuwendungen regelmäßig an die allgemeine Entwicklung der Preise sowie der Löhne und Gehälter anzupassen". Bei Änderungen der staatlichen Finanzierung seien aber Transparenz und gute Begründungen notwendig. Sie habe leider "den Eindruck, dass das etwas ist, was die große Koalition nicht versteht oder verstehen will". So wie Union und SPD in diesen Fragen vorgingen, schaffe "man kein Vertrauen - im Gegenteil". Deshalb ärgere sie "die Vorgehensweise der großen Koalition in solchen Fragen enorm".

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