Haushalt:Koalition wendet vorzeitiges Aus noch einmal ab

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Bundeskanzler Olaf Scholz (r.), Vizekanzler Robert Habeck (l.) und Finanzminister Christian Lindner einigen sich im Haushaltsstreit. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Nach insgesamt 80-stündigen Beratungen einigen sich die Führungsspitzen der Ampel auf den Bundeshaushalt für 2025. Der interne Streit ist nicht beendet.

Von Claus Hulverscheidt

Am Morgen danach gab es durchaus unterschiedliche Aussagen darüber, wie nah man dem Abgrund in den Stunden zuvor gekommen war. Im entscheidenden Punkt aber waren sich Vertreter der Koalition einig: Mit der Verständigung auf einen Haushaltsentwurf für 2025, einen Nachtragsetat für das laufende Jahr und ein Paket zur Stärkung des Wirtschaftswachstums haben die Spitzen der Bundesregierung einen vorzeitigen Bruch des Ampelbündnisses noch einmal abgewendet. Allerdings benötigten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dafür erneut eine Sitzung bis in die frühen Morgenstunden. Zudem regte sich in der SPD umgehend Widerstand gegen den Beschluss, die Schuldenbremse des Grundgesetzes trotz der Milliardenhilfen für die Ukraine und des Investitionsstaus im Land uneingeschränkt einzuhalten.

Scholz, Habeck und Lindner vereinbarten unter anderem, das Kindergeld im kommenden Jahr um fünf auf dann 255 Euro je Kind anzuheben. Auch der Kindersofortzuschlag für bedürftige Familien soll um fünf Euro steigen. Um die steigenden Preise auszugleichen, will die Koalition die Bürgerinnen und Bürger um insgesamt 23 Milliarden Euro steuerlich entlasten. Unternehmen sollen Investitionen rascher abschreiben können, ältere Arbeitnehmer, die über den eigentlichen Renteneintritt hinaus im Job bleiben, deutlich höhere Nettolöhne erhalten.

Olaf Scholz und Robert Habeck nach der Pressekonferenz zum Haushaltsplan 2025. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Einschließlich des jetzt vorgesehenen Nachtragshaushalts will der Bund in diesem Jahr 489 Milliarden Euro ausgeben, im kommenden 481 Milliarden. Die Investitionen steigen zunächst auf 52 Milliarden und 2025 auf 57 Milliarden Euro. Die Neuverschuldung bleibt mit 50,5 Milliarden beziehungsweise 44 Milliarden Euro im Rahmen dessen, was die Schuldenbremse erlaubt.

In den Ressorts waren größere Einsparungen befürchtet worden

Auf eine Sparliste verzichtete die Koalition nach den Erfahrungen vom vergangenen Dezember, als die geplante Streichung von Agrarsubventionen eine wochenlange Protestwelle ausgelöst hatte. Zwar soll etwa die Entwicklungshilfe gekürzt werden. Insgesamt fallen die Einsparungen im Etat aber geringer aus als befürchtet, weil die Regierung unter anderem mit etwas höheren Steuereinnahmen rechnet, wohl weniger an die EU abführen muss und Zinsausgaben anders verbuchen darf als in der Vergangenheit.

„Mit diesem Haushalt schaffen wir Sicherheit und Stabilität in Zeiten, die von Unruhe und Unsicherheit geprägt sind“, sagte Scholz. Anders als von populistischen Parteien behauptet, sei Politik kein Nullsummenspiel, bei dem stets einer gewinne und einer verliere. So könnten etwa die Ukraine weiter finanziell unterstützt und gleichzeitig die Renten hierzulande gesichert werden. Mit dem jetzt beschlossenen Paket werde Deutschlands Sicherheit gestärkt, der gesellschaftliche Zusammenhalt gefördert und das Wachstum angekurbelt. „Wir brauchen keine Entweder-oder-, sondern eine Sowohl-als-auch-Politik“, so Scholz. Vizekanzler Habeck sprach von einem „Dreiklang Wirtschaft-Klima-Kinder“.

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Lindner bezeichnete die wochenlangen, insgesamt 80-stündigen Gespräche mit Scholz und Habeck als „hartes Stück Arbeit“. „Das hier waren nicht Haushaltsberatungen. Wir haben uns neu auf die gemeinsamen Grundlagen unseres Regierungshandelns verständigt“, sagte der Minister mit Blick auf den Grundsatzstreit über die Schuldenbremse. Er wies zugleich den Vorwurf zurück, es handle sich um einen Sparhaushalt. Dagegen sprächen schon die hohen Investitionen, die zusätzlichen Ausgaben für die Sicherheit sowie die geplanten Steuerentlastungen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte dennoch, seine Partei behalte sich weiter vor, einen Notlagenbeschluss zu verlangen. Zu den Unzufriedenen gehört wohl auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Er hatte bei Lindner im Vergleich zur Finanzplanung Mehrausgaben von 6,7 Milliarden Euro angemeldet, soll aber nur gut eine Milliarde zusätzlich erhalten. Im Auswärtigen Amt hingegen atmete man am Freitagmorgen ein wenig auf. Die Kürzungen im Bereich der humanitären Hilfe seien weniger drastisch ausgefallen als befürchtet, hieß es.

Impulse erwartet sich die Regierung vor allem von dem geplanten Konjunkturpaket. Es soll das Wachstum bereits nächstes Jahr um 0,6 Prozentpunkte erhöhen. Das entspräche einer zusätzlichen Wirtschaftsleistung von 25 Milliarden Euro.

CDU-Chef Friedrich Merz prophezeite, der Ampelstreit werde auch nach der nächtlichen Einigung weitergehen. Es reiche nur für „einen Burgfrieden einer erschöpften Koalition für wenige Tage“.

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