Süddeutsche Zeitung

Haushalt 2023:Lindner: Aussetzen der Schuldenbremse nur im Notfall

Der Finanzminister spricht im SZ-Interview von einer "Ultima Ratio", falls die Lage es unbedingt erfordere.

Von Daniel Brössler und Henrike Roßbach, Berlin

Bundesfinanzminister Christian Lindner hält sich den Weg zu einer erhöhten Schuldenaufnahme offen. "Wenn die Lage es erforderlich macht und die Verfassung es erlaubt, dann behalte ich mir diese Ultima Ratio vor", sagte der FDP-Chef im Interview mit der Süddeutschen Zeitung zur Möglichkeit, die Schuldenbremse doch noch ein weiteres Mal auszusetzen. Dies werde er aber nur dann "mitteilen und begründen, wenn es unvermeidlich wäre". Am Wochenende hatte sich die Ampelkoalition angesichts der hohen Belastungen durch die gestiegenen Energiepreise auf ein drittes Entlastungspaket verständigt. Das Paket, dessen Volumen von der Regierung auf 65 Milliarden Euro beziffert wird, soll gestemmt werden, ohne die Schuldenbremse im kommenden Jahr abermals auszusetzen. Allerdings hatte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken darauf verwiesen, dass sich diese Beurteilung noch ändern könne.

In den am Dienstag begonnenen Haushaltsberatungen müsse die Koalition die Kraft aufbringen, "für die haushaltspolitischen Prioritäten der Krise finanziellen Raum zu schaffen", forderte Lindner. Es sei kein Grund, die Schuldenbremse auszusetzen, "weil man kein Geld für Vorhaben eines Koalitionsvertrags hat", warnte er. "Das mag politisch eine Katastrophe sein, im Sinne der Schuldenbremse ist es keine." Szenarien, die den Schritt verfassungsrechtlich erlaubten, "sollte sich niemand wünschen", sie seien auch "momentan nicht erkennbar".

Der Regierungsentwurf für den Haushalt 2023 sieht bislang Ausgaben von rund 445 Milliarden Euro vor, die Neuverschuldung soll auf 17,2 Milliarden Euro sinken - das Maximum dessen, was die Schuldenbremse Stand jetzt zulässt. Das größte aktuelle Problem seien die Inflation und ihre Folgen, sagte Florian Toncar (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, zum Auftakt der Haushaltswoche im Bundestag. Er vertrat dort Lindner, der wegen eines Trauerfalls verhindert war. Mit dem "wuchtigen" Entlastungspaket über 65 Milliarden Euro habe man sich den Folgen der hohen Inflation gestellt, so der FDP-Politiker.

Das Paket muss in den kommenden Wochen zwar noch in den Haushalt eingearbeitet werden. Toncar aber betonte, dass die Finanzierung möglich sei, ohne die Schuldenbremse auszusetzen. Es gebe Spielräume im Haushalt und absehbar auch höhere Steuereinnahmen. "Mehr zu tun", sei dem Bund aber "nicht möglich". Die heutige Generation dürfe ihre Herausforderung nicht in einer Weise lösen, die es künftigen Generationen schwer oder unmöglich mache, "ihre Herausforderung genauso gut in den Griff zu kriegen wie wir heute".

Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) lobte zwar das Einhalten der Schuldenbremse, kritisierte aber, dass die Regierung diesen Schritt nur schaffe, weil milliardenschwere Rücklagen "in einem Jahr verbraten werden". Zu dem Hilfspaket sagte er: "Das ist nix mit wirklicher Entlastung, das ist linke Tasche, rechte Tasche."

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