Haushaltsdebatte:Haushalt in Gefahr

Key Speakers At The World Economic Forum (WEF) 2016

Wolfgang Schäuble lässt seine Beamten das Zahlengerüst für 2017 aufstellen. Es könnte eng werden - doch der Minister hat noch Geld in der Reserve.

(Foto: Bloomberg)
  • Fast alle Ressort im Kabinett fordern für 2017 mehr Geld vom Finanzminister.
  • Die Ausgaben werden mit dem Mehraufwand durch die Flüchtlinge begründet.
  • Schäuble hat schon angekündigt, "wenn möglich" ohne zusätzliche Schulden auskommen zu wollen.
  • Ob ihm das gelingt, wird auch eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wollte man mit einem Begriff das donnerstagabendliche Treffen der deutschen Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Ministern beschreiben, hieße der wohl: Bestandsaufnahme. Und zwar vor allem in Bezug auf den Umgang mit den ins Land geströmten Flüchtlingen. Was gelingt? Was nicht? Es sind Fragen, die zwangsläufig zu dem überwölbenden Ziel aller Besprechungen und Spitzentreffen in diesen Tagen führen, nämlich: wie weiter?

Die Flüchtlingskrise wird sich im Haushalt 2017 widerspiegeln

Unabhängig davon, welche Antworten die Regierungen in Bund und Ländern auf die Flüchtlingskrise noch geben und wie schnell das geschieht, steht fest, dass sich der Zustrom der Zuflucht Suchenden in konkreten Zahlen im Bundeshaushalt 2017 widerspiegeln wird. Beinahe jedes Ressort, so registrieren Beamte im Bundesfinanzministerium, habe in den vergangenen Wochen zusätzliche Ausgabenwünsche angemeldet, fast alle seien mit dem Etikett "Flüchtlinge" versehen. Inzwischen summierten sich die Forderungen schon so hoch, dass der finanzielle Rahmen, also die Einnahmen, "überschritten werden könnte".

Für die Finanzbeamten ist das eine neue Situation. In den vergangenen Jahren lagen die Einnahmen stets über den erwarteten Ausgaben. Für 2017 zeichnet sich die Trendwende ab. Erstmals seit 2013 könnten die Einnahmen des Bundes trotz unverändert guter Konjunktur nicht reichen, um die notwendigen Ausgaben zu finanzieren.

Die Bundesbauministerin will eine zusätzliche Milliarde Euro jährlich, um sozialen Wohnraum zu fördern. Die Ressortkollegin von der Verteidigung plant mit 130 Milliarden Euro, um die Bundeswehr bis 2030 zu modernisieren. Zusätzliche Milliarden Euro fordern die Arbeits- sowie die Familienministerin, vor allem für Sozialleistungen und Integration. Der Innenminister braucht mehr Geld für die Polizei und die Sicherheit im Lande, der Entwicklungshilfeminister für die Flüchtlingslager im Ausland.

Und, reichlich ungewöhnlich für einen Finanzminister, will auch Wolfgang Schäuble (CDU) selbst die Ausgaben erhöhen, um die europäischen Maßnahmen zu finanzieren, mit denen europäische Außengrenzen gesichert und Auffanglager vor Ort betrieben werden sollen. Auch werden Länder wie die Türkei oder die nordafrikanischen Staaten in den nächsten Jahren viel Geld fordern, um fluchtbereite Menschen aufzuhalten.

Auch jenseits der Flüchtlingsversorgung steigen die Ausgaben

Hinzu kommen Vorhaben, die jenseits der aktuellen Flüchtlingsaufgaben liegen. Etwa die Angleichung der Renten in Ost und West, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist und einige Milliarden Euro kosten wird. Oder die avisierte Prämie für Elektro-Autos, um E-Mobilität zu fördern. Zugleich sinken die Einnahmen: Weil der Bundesfinanzminister darauf verzichtet, sich Eigenmittel aus dem EU-Haushalt, etwa von Konzernen gezahlte Strafgebühren, auszahlen zu lassen. Oder weil er Mietwohnungsbau durch Sonderabschreibungen fördern lässt.

Die Beamten im Bundesfinanzministerium sind in diesen Tagen dabei, das Zahlengerüst für das kommende Jahr zusammenzustellen. Sie werden in Kürze eine vertrauliche Steuerschätzung fertigstellen, aus der sie ableiten können, wie hoch die Einnahmen im Jahr 2017 sein werden. Und auf genau diese Zahl dürfte Schäuble verweisen, wenn seine Ressortkollegen oder die Ministerpräsidenten der Länder bei ihm anklopfen, um sich für dieses und jenes zusätzliche Millionen und Milliarden Euro bewilligen zu lassen.

Jenseits des Gerangels um die Ausstattung der Ressorts hat Schäuble seine rote Linie klar zu erkennen gegeben. Die Bewältigung der Flüchtlingskrise hat erste Priorität. Trotzdem will er, "wenn möglich", ohne neue, zusätzliche Schulden auskommen. Das Jahr 2017 ist als Wahljahr besonders wichtig. Eine schwarze Null, also ein ausgeglichener Haushalt, dürfte bei zahlreichen Wählern als Beweis gelten für gutes Wirtschaften.

Zunächst wird dem Bundesfinanzminister die Rücklage helfen, die er mit dem Haushaltsüberschuss aus 2015 aufgefüllt hat, immerhin 12,1 Milliarden Euro. "Wir werden die Rücklage dringend brauchen, um die zusätzlichen Leistungen zur Unterbringung und Integration der Flüchtlinge zu finanzieren", sagte Schäuble. Und sollte er das Geld 2016 nicht aufbrauchen, was gut möglich ist, weil das Ministerium "vor dem Hintergrund einer guten Grundkonstitution der Wirtschaft" und "merklichen Einkommenssteigerungen" stabile Steuereinnahmen erwartet, könnte er den Rest ins Jahr 2017 mitnehmen.

Mitte März will Schäuble den Ressortkollegen konkrete Budgetvorschläge vorlegen. Umso wichtiger sind jetzt die Spitzentreffen im Kanzleramt. Dort gefasste Beschlüsse fließen mit einiger Sicherheit in die Haushaltsplanung des Ministers ein.

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