Hauptausschuss im Bundestag:Berufsverbot für 584 Abgeordnete

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Glaskuppel des Reichstags: der Hauptausschuss des Bundestages verwaltet vorübergehend die Dienstgeschäfte (Foto: dpa)

47 Abgeordnete sitzen im Hauptausschuss des Bundestags. Und der Rest? Muss warten. Union und SPD haben die ordentliche parlamentarische Arbeit ausgesetzt. Das ist unverfroren, bequem und eine Missachtung des Bundestags.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Die Wähler haben ein echtes, ganzes Parlament gewählt - kein Rumpfparlament, kein Politbüro, keinen Superausschuss, wie er am Mittwoch tagte. Die Wähler haben vor elf Wochen 631 Abgeordnete als Vertreter des Volkes nach Berlin geschickt und nicht nur die 47, die jetzt im sogenannten Hauptausschuss die Geschäfte des Bundestags mehr schlecht als recht verwalten. Das Grundgesetz kennt einen solchen Ausschuss nicht.

Die Wähler haben einen Bundestag gewählt, der nach seiner Konstituierung das tut, was die Verfassung vorschreibt, nämlich eine Vielzahl von ordentlichen Ausschüssen zu bilden, in denen sich das Leben des Parlaments entfaltet. Die sich formierende große Koalition hat dies verhindert und die parlamentarische Arbeit für eine Vielzahl von Wochen ausgesetzt - so lange, bis die Regierung im Amt ist.

Das ist eine Missachtung der Volksvertretung, wie es sie in der Geschichte des bundesdeutschen Parlamentarismus noch nicht gegeben hat. Den 584 Abgeordneten, die nicht im Hauptausschuss sitzen, wird ein temporäres Berufsverbot verordnet. Es handelt sich um die entlarvende Demonstration der Machtverhältnisse: Parteien und Fraktionen sind alles, Abgeordnete wenig.

Schrumpf- und Rumpfarbeit

Die Fraktionsführungen der CDU/CSU und der SPD weigern sich, den Bundestag in seine Rechte einzusetzen. Warum? Weil der Koalitionsvertrag noch nicht wirksam ist, wissen sie nicht, welche Aufträge und Weisungen sie den an Aufträge und Weisungen eigentlich nicht gebundenen Abgeordneten erteilen sollen. Also einigen sie sich darauf, dass vorerst gar keine Weisungen erteilt werden und keine ordentliche parlamentarische Arbeit stattfindet.

Die Schrumpf- und Rumpfarbeit wird von verlässlichen Funktionsträgern erledigt. Das ist wenig demokratisch, aber sehr unverfroren. Die Marginalisierung der Opposition in Zeiten der großen Koalition zeigt sich also gleich zum Auftakt besonders drastisch. CDU/CSU und SPD tun so, als sei das Herz der Demokratie ein nachgeordnetes Organ, und als stünde es im Belieben von Parteien und Fraktionen, dieses Herz schlagen zu lassen oder nicht.

Der Hauptausschuss, der jetzt die Verwaltung der Dienstgeschäfte des Bundestags rudimentär erledigt, ist in etwa so groß wie das Notparlament, das gemäß der Notstandsverfassung in Zeiten von Krieg und Katastrophen die gesetzgeberische Arbeit übernimmt. Es gibt aber keine Not, sondern nur Bequemlichkeit; diese Bequemlichkeit allerdings ist eine Katastrophe. Natürlich hätten die Ausschüsse längst gebildet werden können; es müsste halt dann später ein Ausschussvorsitzender neu gewählt werden, wenn er Minister wird. Und der Zuschnitt der gebildeten Ausschüsse müsste gegebenenfalls später dem der Ministerien angepasst werden. Das ist wirklich nicht so schwer.

Das Verfassungsgericht, das immer wieder die Rechte des Parlaments verteidigt hat, ist leider machtlos. Wo kein Kläger, da kein Richter. Man wünschte sich, dass Karlsruhe feststellt: Der Auftakt der 18. Legislaturperiode war verfassungswidrig.

© SZ vom 05.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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