An einem Juliabend vor drei Jahren in Wembley ist er in besonders abartiger Weise hervorgetreten, dieser unendliche Hass. Der Hass auf Bukayo Saka, Jadon Sancho und Marcus Rashford, drei englische Fußballnationalspieler, die im Elfmeterschießen des Europameisterschaftsfinales in London ihre Versuche vergaben. Italien siegte. Und auf die drei schwarzen Spieler hagelte im Netz der blanke Rassismus ein. Und Benjamin Krause dachte sich, das kann’s doch nicht sein.
Der Fußballfan Krause, Oberstaatsanwalt bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwalt Hessen, wollte etwas unternehmen. Er sagte dem Deutschen Fußball-Bund, der wie Krauses Staatsanwaltschaft in Frankfurt seinen Sitz hat: Wenn ihr mal was im Kampf gegen Hass im Netz machen wollt, wir würden euch helfen. Und jetzt helfen sie, zur EM im eigenen Land.
Nach der Junioren-EM wollte der DFB etwas unternehmen
Die Zusammenarbeit mit dem DFB begann 2023. Bei der damaligen Junioren-EM hatten die U21-Nationalspieler Jessic Ngankam und Youssoufa Moukoko ebenfalls Elfmeter verschossen, und auch sie traf der Hass, der Rassismus. Moukoko sagte hinterher: „Wenn wir gewinnen, sind wir alle Deutsche. Wenn wir verlieren, kommen diese Affenkommentare.“ Bei der U17-Weltmeisterschaft ein paar Monate später war es kein Stück besser.
Deshalb haben der DFB und Krauses ZIT eine Kooperation gestartet: Die Social-Media-Verantwortlichen beim Fußballverband melden potenziell strafbare Posts, von der Beleidigung bis zur Volksverhetzung, an die Staatsanwaltschaft. Auch der Deutsche Olympische Sportbund und die Deutsche Fußball-Liga, in der die Klubs der ersten und zweiten Herren-Bundesliga organisiert sind, machen inzwischen mit.
Vom DFB sind im Laufe der vergangenen paar Monate Krause zufolge immerhin schon 50 Meldungen zusammengekommen. Wenn die Posts tatsächlich strafbar sind, versuchen die Ermittler, die Urheber zu identifizieren – und sie erst mal zu konfrontieren. Wer sich einsichtig zeigt, kommt dann auch mal mit einer gelben Karte davon, ansonsten drohen Geld- oder sogar Freiheitsstrafen.
Während der laufenden EM leitet auch der europäische Fußballverband Uefa der Frankfurter Staatsanwaltschaft Hasspostings gegen Spieler, Trainer oder Schiedsrichter weiter. Zur Frauen-EM 2022 in England hatte die Uefa erstmals Hasskommentare an die Social-Media-Plattformen gemeldet mit der Bitte, sie zu löschen. 119 Posts. Die Daten gingen auch an die britische Polizei.
„Wenn man bei Prominenten nichts gegen Hass macht, entsteht der Eindruck, dass das normal ist.“
Benjamin Krause sagt, manchmal werde er gefragt, warum sie ausgerechnet bei „Fußballmillionären“ so genau hinschauten. Krause sagt: „Wenn man bei Prominenten nichts gegen Hass macht, entsteht der Eindruck, dass das normal ist, dass man sich das erlauben kann, auch bei jedem anderen Menschen.“ Außerdem schritten sie nicht nur bei Hass auf Profis ein, sondern auch auf Schiedsrichter oder Nachwuchsspieler.
Das Problem ist nur: Die Staatsanwälte dürfen zwar Volksverhetzung, die sich gegen eine Menschengruppe richtet, eigeninitiativ verfolgen. Bei Beleidigungen braucht es allerdings erst einen schriftlichen Strafantrag des Opfers. Das wollen sich viele nicht antun. Hessens Justizminister Christian Heinz (CDU) hat bei seinen Länderkollegen dafür geworben, das zu ändern. Die Runde einigte sich Anfang Juni darauf, dass diese Antragspflicht zumindest bei Beleidigungen rassistischer oder antisemitischer Art wegfallen soll. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) soll das jetzt prüfen.