Hartz IV und Rente mit 67:SPD-Spitze stellt Reformen zur Diskussion

Die SPD macht Hartz IV und Rente mit 67 mit für ihr Wahldebakel verantwortlich. Eine Abkehr von den Reformen will die Parteiführung aber nicht.

S. Höll, Berlin

Als Konsequenz aus der katastrophalen Niederlage bei der Bundestagswahl will die designierte SPD-Führung unter Sigmar Gabriel umstrittene Projekte aus ihrer elfjährigen Regierungszeit zur Diskussion stellen. In einem Entwurf eines Leitantrages für den Bundesparteitag Mitte November in Dresden, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, bekennt sich die neue Spitze im Grundsatz zu den rot-grünen Hartz-Reformen und der Erhöhung des Rentenalters auf 67 in der großen Koalition. Doch müsse man auch bewerten, ob und welche Veränderungen es geben müsse, damit die Bürger solche Reformen nicht als Bedrohung wahrnähmen, heißt es weiter.

Eine grundsätzliche Abkehr von den Projekten, etwa die Rückkehr zur Rente mit 65, wird von der neuen Führung nicht angestrebt. Bei der Alterssicherung heißt es unter Verweis auf das SPD-Wahlprogramm, nötig seien weitere Förderungen der Altersteilzeit, bessere Erwerbsminderungsrenten und garantierte Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere.

Die Rente mit 67 und die Hartz-Reformen werden in dem Entwurf explizit als zwei Gründe dafür genannt, dass die Partei am 27. September nur 23 Prozent erhalten hatte. Diese Reformen hätten viele Wähler nicht akzeptiert, heißt es in dem 24 Seiten starken Papier, das der SPD-Vorstand am Montag beraten soll.

Gabriel, die designierte Generalsekretärin Andrea Nahles und andere Mitglieder der neuen Spitze hatten den Antrag gemeinsam mit der scheidenden Führung unter Franz Müntefering und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erarbeitet. Er soll als Grundlage für die schwierigen Diskussionen über die Lage der SPD dienen, die auf dem Dresdner Parteitag erwartet werden.

Keine Koalitionsverbote mehr

In dem Entwurf werden weitere Ursachen für das schlechte Abschneiden der SPD aufgezählt, die aus Sicht der Autoren aber eine erfolgreiche Regierungsbilanz vorweisen kann. Man habe die Wähler nicht von der wirtschaftlichen Kompetenz der SPD überzeugen können und keine klare Koalitionsaussage gemacht. Auch hätten die häufigen Wechsel im Parteivorsitz und die jahrelangen innerparteilichen Konflikte mit zum schlechten Ansehen beigetragen.

Die Sozialdemokraten hatten zuletzt heftig über den Umgang mit der Linkspartei gestritten und im Wahlprogramm zuletzt eine Koalition mit der Linken im Bund bis 2013 ausgeschlossen. Solche Verbote will sich die künftige Spitze nun nicht mehr auferlegen, aber auch keine Aussagen zugunsten der Linken machen. "Weder schließen wir bestimmte Koalitionen aus, noch streben wir aus Prinzip bestimmte Koalitionen an. Die SPD definiert sich und ihre Politik nicht über die Abgrenzung oder Ableitung von anderen Parteien, sondern über ihre eigene Tradition, ihre Werte und ihr politisches Programm", heißt es in dem Entwurf.

Im Leitantrag verzichten die SPD-Spitzen auf konkrete Vorschläge zum künftigen inhaltlichen Kurs der Partei. Stattdessen will sie innerparteiliche Diskussionen sowie den Meinungsaustausch mit gesellschaftlichen Gruppen, darunter auch den Gewerkschaften, suchen, um die Partei für Mitglieder und Wähler wieder attraktiver zu machen.

Auch soll die Partei intensiv über die Ursachen für ihre aktuell schlechte Verfassung debattieren. Alle Ortsvereine und Unterbezirke sollen der Bundes-SPD ihre Meinung dazu mitteilen. Anfang nächsten Jahres 2010 soll es zu diesem Thema eine Parteikonferenz geben. Auch sollen die Mitglieder künftig stärker an politischen Entscheidungen beteiligt werden. Ein neues Konzept dazu soll auf einem Parteitag 2011 verabschiedet werden.

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