Hartz-IV-Reform:Zoff um die Rechnerei

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Ist die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze verfassungswidrig? Die SPD kritisiert die Methoden von Arbeitsministerin von der Leyen heftig, die wiederum wirft der Opposition Blockade vor. Eine Umsetzung der Reform bis März scheint fraglich.

Thomas Öchsner

Die etwa 6,5 Millionen Empfänger der staatlichen Grundsicherung müssen womöglich länger als geplant auf eine Einigung bei der Hartz-IV-Reform warten. Ursprünglich sollten um fünf Euro höhere Leistungen für Erwachsene und das Bildungspaket für deren Kinder Neujahr in Kraft treten. Nun gefährdet ein Streit über die statistischen Grundlagen für die Neuberechnung der Leistungen den Plan, zumindest bis zur nächsten Bundesratssitzung am 11.Februar eine Lösung zu finden.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Anfang Dezember im Bundestag: Um die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze, für die ihr Ministerium zuständig ist, ist nun ein Streit mit der Opposition ausgebrochen. (Foto: dpa)

Opposition und Regierung warfen sich gegenseitig vor, das Gesetz zu blockieren. Trotzdem zeigte sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zuversichtlich, dass noch im Januar eine Einigung gelingt.

Von der Leyen sagte, die Opposition könne nicht einerseits "einen in aller Sorgfalt und Plausibilität berechneten Regelsatz verlangen und dann im Vermittlungsausschuss auf das vom Verfassungsgericht anerkannte Verfahren der Statistikexperten verzichten". Wenn die Experten des Statistischen Bundesamtes Monate für Berechnungen brauchten, "dann liegt das ausschließlich an der Vielzahl komplizierter Sonderauswertungen, die SPD und Grüne erst kurz vor Weihnachten bei den Statistikern in Wiesbaden in Auftrag gegeben haben". Der Vorwurf der Opposition, ihr Ministerium verzögere die Verhandlungen, sei deshalb "absurd".

Zuvor hatte ein Sprecher ihres Hauses einen Schriftwechsel zwischen von der Leyen und der SPD- Verhandlungsführerin, Mecklenburg- Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig, bestätigt, über den die SZ berichtet hatte. Darin stellte von der Leyen fest, dass es noch 90 Arbeitstage dauern könne, bis der Fragenkatalog der Opposition beantwortet sei.

Die geplante Erhöhung der Hartz-IV- Sätze um fünf Euro orientiert sich an Erhebungen des Statistischen Bundesamtes, das die Ausgaben von bestimmten Geringverdiener-Haushalten ermittelt und so die Kernzahlen für den Grundbedarf von Hartz-IV-Empfängern liefert. Das Arbeitsministerium zog dabei als Basis das Ausgabeverhalten der untersten 15 Prozent der Bevölkerung auf der Einkommensskala heran - und nicht wie bislang der untersten 20 Prozent.

"Sand ins Getriebe"

Dies wird von der Opposition heftig kritisiert. SPD und Grüne werfen dem Arbeitsministerium vor, auf diese Weise einen deutlicheren Anstieg der Hartz-IV-Sätze vermeiden zu wollen, was von der Leyen wiederum bestreitet. Schwesig verlangt zumindest bei dieser zentralen Frage bis zum 7. Januar eine neue Auswertung durch das Statistische Bundesamt. "Diese Berechnung zeigt, wie hoch der Regelsatz sein müsste, wenn wir von der bisher üblichen Referenzgruppe der 20 Prozent der geringsten Einkommen ausgehen. Von der Leyens willkürliche Absenkung auf 15 Prozent macht ihr Gesetz verfassungswidrig", sagte die SPD-Verhandlungsführerin. Von der Leyen nimmt jedoch an, dass sie diese Zahlen erst Ende Januar vorlegen kann.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte dazu, die Oppositionskritik an der Berechnungsmethode sei seit Monaten bekannt. "Die Erhebungen könnten längst veranlasst sein." Es sehe fast so aus, als wolle von der Leyen "Sand ins Getriebe einer schnellen Einigung bei der Reform streuen". Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, warf dagegen der Opposition vor, das Gesetz dadurch zu blockieren, "dass sie alle möglichen, irrsinnig kostspieligen Forderungen stellt".

Nach dem Scheitern der Reform im Bundesrat muss der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss finden, damit das Gesetz rückwirkend wirksam wird. Die Bundesagentur für Arbeit kann eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze Anfang März nur umsetzen, wenn die Reform wie geplant am 11. Februar endgültig verabschiedet wird.

© SZ vom 03.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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