Süddeutsche Zeitung

Hartz IV:Minimalisierung des Minimums

Endlich: Das Sanktionsregime der Hartz-IV-Gesetze wird in Karlsruhe überprüft.

Von Heribert Prantl

Das Recht, als Langzeitarbeitsloser eine, wenn auch sehr bescheidene, Lebensgrundlage zu haben, ist ein Grundrecht. Grundrechte kann man nicht kürzen, nicht um die Hälfte verkleinern. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum kann einem nicht partiell entzogen werden. Das heißt: Die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger sind bedenklich. Es ist deshalb gut, dass das Sozialgericht Gotha einen extremen Fall von Leistungskürzung dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegt.

Karlsruhe muss nun das Sanktionsregime prüfen. Mit diesen Sanktionen wurde ein strafrechtlicher Gedanke systemfremd ins Sozialrecht hineingepresst: Wer sich nicht konform verhält, wer zumutbare Arbeit nicht annimmt, nicht zur gemeinnützigen Arbeit antritt, Termine nicht wahrnimmt oder Dokumente nicht beibringt (oft stellt sich heraus, dass sie einfach in der Fallmanager-Bürokratie verschwunden sind) - dem werden Leistungen oft bis weit unters Existenzminimum gekürzt; der kann dann seine Stromrechnung nicht mehr zahlen; das bedeutet: Schwung für die Abwärtsspirale.

Eine Million Leistungsberechtigte werden jährlich sanktioniert. Eine Million! Womöglich sind Sanktionen schlicht eine einfallslose Reaktion darauf, dass sich die Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitslose weiter verschlechtern. Sie werden von den Jobcentern als Kunden bezeichnet - aber oft wie Penner behandelt.

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Quelle:
SZ vom 29.05.2015
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