Süddeutsche Zeitung

Zuschüsse für Hartz-IV-Haushalte:Die meisten Kinder gehen leer aus

  • Bei den meisten Kindern in Hartz-IV-Haushalten kommt das Geld aus dem Teilhabepaket der Regierung nicht an.
  • Nur 15 Prozent der fast eine Million Sechs- bis 15-Jährigen in dieser Gruppe profitieren von den staatlichen Zuschüssen.
  • Kritiker bemängeln die komplizierten Antragsverfahren. Familien müssten lange Formulare ausfüllen und Belege einreichen, um gefördert zu werden.

Von Thomas Öchsner

Das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung kommt bei den meisten Kindern in Hartz-IV-Haushalten nicht an. Nur 15 Prozent der fast eine Million Sechs- bis 15-Jährigen in dieser Gruppe profitieren von den staatlichen Zuschüssen für Sportvereine, Mittagessen, Schulmaterial oder Klassenfahrten. Dies geht aus einer Untersuchung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands hervor, die auf Daten der Bundesagentur für Arbeit beruht. Die Zahlen bezeichnete der Verband als "Armutszeugnis". Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sagte: "Das Bildungs- und Teilhabepaket ist und bleibt Murks."

Ein Musikinstrument spielen lernen, Mitglied in einem Fußballklub sein oder Nachhilfeunterricht nehmen - das sollte auch für Kinder aus ärmeren Familien möglich sein, die etwa Hartz IV, Wohngeld oder Kinderzuschlag beziehen. Seit gut acht Jahren, eingeführt von der damaligen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), gibt es daher das Bildungspaket - und genauso lang die Kritik daran.

Die neue Studie zeigt nun: An den niedrigen Teilnehmerzahlen hat sich im Vergleich zum Vorjahr so gut wie nichts geändert. Ob Familien aus einkommensschwachen Haushalten Leistungen beantragen, hänge sehr von den jeweiligen Angeboten in den Landkreisen und Städten ab, heißt es in der Untersuchung. So gibt es große regionale Unterschiede: In einzelnen Landkreisen werden mehr als 90 Prozent der Anspruchsberechtigten erreicht, in anderen nicht einmal fünf Prozent. Am höchsten ist der Anteil der bewilligten Anträge mit gut 45 Prozent in Schleswig-Holstein, am niedrigsten im Saarland und in Rheinland-Pfalz mit unter acht Prozent. Schlecht schneidet auch die Hartz-IV-Hochburg Berlin mit einer Teilnahmequote von weniger als zehn Prozent ab.

SPD, Grüne und Linke sind für eine Kindergrundsicherung

Kritiker bemängeln die komplizierten Antragsverfahren. Familien müssten vierseitige Formulare ausfüllen, Unterschriften einholen, Belege einreichen, Kopien erstellen, um gefördert zu werden. Auch für Kommunen, Kindergärten, Schulen oder Vereine gilt der Verwaltungsaufwand als enorm. Viele wagen sich deshalb offenbar an die Anträge erst gar nicht heran.

Ob sich die gerade erfolgte Erhöhung der Zuschüsse positiv auswirkt, werde sich erst im nächsten Jahr zeigen, teilte der Verband mit. Seit August 2019 zahlt der Staat 150 statt 100 Euro, etwa um Schulranzen oder Hefte anzuschaffen. Der Zuschuss für Sportverein oder Musikschule ist von zehn auf 15 Euro pro Monat gestiegen. Der Eigenanteil für das Mittagessen in der Schule und für Fahrkarten ist entfallen.

Trotzdem fordert der Wohlfahrtsverband, das Bildungs- und Teilhabepaket zusammen mit den Gutscheinen abzuschaffen und an ärmere Familien 15 Euro pauschal auszuzahlen. Die Jugendämter und nicht mehr die Jobcenter sollten die Förderung organisieren. Außerdem sprechen sich der Wohlfahrtsverband wie auch SPD, Grüne und Linke dafür aus, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Darin ließen sich alle staatlichen Leistungen für Kinder und Jugendliche bündeln.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2019/fie
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