Hartz-IV-Debatte:Vom Preis der Menschenwürde

Ist eine Erhöhung um fünf Euro "ein Hohn"? Oder macht sich nicht doch die Opposition mit dem Vorwurf sozialer Kälte "lächerlich"? Die deutschen Medien sind in der Hartz-IV-Debatte gespalten. Die Positionen in Bildern.

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taz-Cover 27.9.2010

Quelle: Screenshot sueddeutsche.de

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Wenn das soziale Gewissen versagt, hilft nur noch Ironie, findet die tageszeitung: "Hartz IV-Familien im Glück", titelt die linksalternative Zeitung über einer Dose Hundefutter, "Satte 5 (!) Euro mehr dank Ursula von der Leyen! (...) Hartz-IV-Empfänger sagen DANKE! Bärbel K. aus Z.: 'Endlich kann die Familie wieder lecker und ausgewogen essen.'"

Darunter wird es dann aber doch ernst: "Fünf Euro mehr für Erwachsene, keinen Cent mehr für Kinder: So viel ist dieser Regierung also die Würde von Arbeitslosen und ihren Familien wert." Das lasse "beunruhigende Schlüsse auf die Empathiefähigkeit Deutschlands" zu.

Die taz bilanziert:  "Wir leben in einem der reichsten Länder der Erde. Doch in den letzten Wochen und Monaten gab es hierzulande nicht einmal den Ansatz einer Debatte darüber, was ein Mensch braucht, um in Würde zu leben und an dieser Gesellschaft teilhaben zu können."

Staatssekretaer Andres kuendigt Aenderungen bei 'Hartz IV' an

Quelle: ddp

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Fünf Euro mehr oder weniger - das ist eigentlich irrelevant, findet die Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Die wirkliche Kraft des Sozialstaats bemisst sich nicht nach Euro, sondern an den Chancen, die er Hilfebedürftigen gibt, wieder für sich selbst zu sorgen - am besten durch Arbeit. In Zeiten des Sparens aber fehlt am Ende jeder Hartz-IV-Euro zusätzlich für die Integration Erwerbsloser auf dem Arbeitsmarkt", kommentiert die konservative Zeitung die jüngste Hartz-IV-Debatte.

Ähnlich sieht das die Stuttgarter Zeitung: "Entscheidender als die Höhe des Hartz-Tarifs ist jedoch, ob es der Regierung gelingt, dem davon abhängigen Personenkreis eine Perspektive zu bieten: Arbeitsplätze und die Chance zu sozialem Aufstieg. Investitionen in die Bildung der Kinder aus armen Familien sind dringender als ein paar Euro extra."

Hartz IV - Illustration

Quelle: dpa

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Die Frankfurter Rundschau hingegen ist empört von den Plänen der Bundesregierung: "Um fünf Euro soll das Hartz-IV-Geld erhöht werden. Das ist ein Hohn. Ein Einkommen von 364 Euro im Monat mag zu viel zum Sterben sein, zum Leben aber ist es definitiv zu wenig." Die Zeitung, die lange den Gewerkschaften und der SPD nahestand, macht eine beunruhigende Haltung unter Politikern aus: "Wer von Leistungsempfängern statt von Hilfsbedürftigen spricht, der täuscht darüber hinweg, dass es auch bei uns Menschen gibt, die auf Hilfe angewiesen sind. Menschen also, die ihr Leben nicht alleine leben können."

Das findet auch die Münchner Abendzeitung: "Ist das gerecht, Frau Merkel?", fragt das Boulevardblatt auf der Titelseite, "5 Euro mehr Hartz IV - Aber Pleite-Banker bekommen Millionen?"

Bauarbeiter protestieren gegen Billiglöhne

Quelle: AP

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Die Bild-Zeitung wiederum hat die Interessen ihrer Leserschaft im Sinne - nämlich die der kleinen Arbeiter: "Fünf Euro mehr im Monat sind nicht viel - aber sicherlich kein Skandal, wie die Opposition behauptet. (...) Es wäre ein Skandal, wenn der Abstand zwischen denen, die arbeiten, und denen, die nicht arbeiten können oder wollen, noch kleiner würde (...) Zu viele Menschen haben es sich mit Hartz IV plus Schwarzarbeit bequem gemacht - auf Kosten der Arbeitenden."

Das findet auch die Neue Osnabrücker Zeitung: "Wieder schallt der Regierung der Vorwurf sozialer Kälte entgegen. Doch es lohnt sich, genauer hinzusehen - gerade mit dem Blick derer, die nur wenig verdienen. Denn je höher die Regelsätze bei Hartz IV steigen, desto mehr wirken sie wie eine Art Mindestlohn. Und umso mehr sinken für Geringverdiener die Anreize weiterzuarbeiten."

EU-Gipfel berät Griechenland-Krise

Quelle: Orestis Panagiotou/dpa

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Die Welt empört sich gar mit vielen Ausrufezeichen über die Kritik an den Plänen Ursula von der Leyens: "Schon hebt das Geschrei an, ob bei den Sozialverbänden oder Rot-Rot-Grün: Skandal! Herzlosigkeit!" Das findet die Zeitung "lächerlich!", angesichts der enormen Summen, die für Sozialleistungen in Deutschland ausgegeben werden: "Hilfe ist keine mehr, die einer Notlage geschuldet ist, sondern ein Recht. Und so haben wir die reichsten Armen in unserer Geschichte. Nicht die Banken- und Finanzkrise hat unsere Länder an den Rand des Bankrott gebracht, sondern der Sozialstaat."

Den Stuttgarter Nachrichten dient sogar das krisengebeutelte Griechenland auf einmal wieder als Vorbild: "Von den 193 Staaten dieser Erde leisten sich nur ganz wenige ein ähnlich bürokratisches, schuldenfinanziertes Hilfssystem wie wir, in dem man ein Leben lang Anspruch auf Sozialhilfe hat. Im angeblich so verschwenderischen Griechenland zum Beispiel gibt es nach einem Jahr Arbeitslosengeld nichts mehr. Hartz IV ist ein Luxus, der träge macht und Bedürftige aus aller Welt anzieht. Jeder Euro mehr in dieses System macht uns alle ärmer."

Hartz-IV-Empfaenger bekommen nur fuenf Euro mehr

Quelle: dapd

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Den Mannheimer Morgen regt ein konkreter Punkt besonders auf: "Demütigender als die mickrige Erhöhung dürfte für die Betroffenen sein, wie die Regierung ihre Knausrigkeit pädagogisch unterfüttert. Der für Alkohol und Tabak gedachte Teil von nicht mal 20 Euro soll in Internet und Praxisgebühr fließen. Das ist lächerlich. Diese Umwidmung hätte sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sparen können. Damit nährt sie nur fatalerweise das Klischee von den saufenden Hartz-IV-Beziehern."

© sueddeutsche.de/beitz/dpa/reuters/ots/afp
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