Hans-Georg Maaßen:Strafe und Bescherung

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Bundesinnenminister Horst Seehofer (rechts, CSU) hatte trotz massiver Kritik an Hans-Georg Maaßens Äußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz zunächst an dem Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes festgehalten. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Für Hans-Georg Maaßen erfüllt sich ein Karrieretraum: Er wird Staatssekretär im Innenministerium. Räumen muss er das Amt als Chef des Verfassungsschutzes, in dem er stets ein Gegner Merkels war.

Von R. Steinke und M. Szymanski, Berlin

Soll er jetzt trauern oder jubeln? Hans-Georg Maaßen wird es einerseits mit Freude gehört haben, als er am Dienstag erfahren hat, was nach dem wochenlangen Donnerwetter um seine AfD-Kontakte und seltsamen Behauptungen zu rechter Gewalt in Chemnitz faktisch als Konsequenz stehen bleibt: nämlich eine Beförderung. Maaßen steigt auf. Sieh an. Er wird künftig Staatssekretär im Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU), das bedeutet nicht nur einen Gehaltssprung um knapp 3000 Euro, Maaßen rückt von Besoldungsstufe B9 auf B11. Für Maaßen bedeutet es eigentlich auch die Erfüllung eines Karrieretraums: Staatssekretär, darauf hatte er während der Koalitionsverhandlungen gehofft. Nun hat die SPD, die lautstark Maaßens Rücktritt vom Amt des Verfassungsschutzpräsidenten gefordert hatte, ihm genau dies beschert. Andererseits war zunächst unklar, wie genau die Rochade aussehen würde, mit der Seehofer den Koalitionspartner befrieden wollte. Der Staatssekretär Maaßen soll künftig nicht den Verfassungsschutz beaufsichtigen, hieß es. Im Innenministerium, das neuerdings auch für Bauen und Wohnen zuständig ist, könnte also ein Themen-Dossier warten, das nicht nach Maaßens Geschmack ist. Womöglich wird er sich künftig nicht nur aus dem Licht der Öffentlichkeit zurückziehen müssen, sondern auch ganz aus der Sicherheitspolitik. Und womöglich wird es sich im Rückblick dann doch noch anfühlen wie eine Strafe.

Dienstag ist immer Kanzleramt-Tag gewesen für Maaßen. Womöglich war er sogar an diesem Vormittag wieder im Gebäude, nur ein paar Stunden bevor hier sein eigenes Schicksal entschieden werden sollte. Woche für Woche ist Maaßen zur sogenannten "Nachrichtendienstlichen Lage" gekommen, immer gegen 10.30 Uhr. Ein abhörsicherer, fensterloser Raum, Maaßen und die anderen Präsidenten der Sicherheitsbehörden - also des Bundesnachrichtendiensts, des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei und des Militärischen Abschirmdienstes - sitzen in U-Form. Sie referieren vom Platz aus für die Spitzenbeamten des Kanzleramts. An die Stirnseite des Raums werden Bilder projiziert. Lagekarten aus Afghanistan zum Beispiel, oder Fahndungsfotos bekannter Islamisten.

Für Merkels Leute geht es bei diesen Treffen darum, sich auf dem Laufenden zu halten. Gleichzeitig ist es aber auch eine Methode, die Geheimdienstler auf Abstand zu halten. Darüber hat sich Maaßen, darüber haben sich auch andere Teilnehmer in den vergangenen Jahren zunehmend geärgert: Immer wieder haben sie hier gewarnt vor den Risiken, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen einhergehen würden - angeblich bis hin zu der spitzen Bemerkung, dass Selfies der Kanzlerin mit Flüchtlingen keine gute Idee seien. Sie könnten in der Ferne eine Sogwirkung entfalten. Aber Merkel ist nie dazugekommen, auch nicht, als Unionsabgeordnete sie im Herbst 2015 dazu drängen wollten.

In anderen Ländern tragen Geheimdienstchefs dem Regierungschef persönlich vor. Nicht so in Deutschland. Hier hält die Kanzlerin Abstand, sie macht einen Bogen um die heiklen Gesprächsrunden der Geheimdienstler, es gilt ein Prinzip, das in den USA "plausible deniability" genannt wird: Im Zweifel soll die Chefin sagen können, sie habe nichts gewusst; das minimiert die politischen Risiken.

Nur einmal ist Merkel zu Maaßen gekommen, im Oktober 2014 hat sie sein Bundesamt in Köln-Chorweiler besucht. Danach nie wieder.

Im Anschluss an die "Nachrichtendienstliche Lage" folgte für Maaßen immer noch die "Präsidentenrunde", kleiner und exklusiver. Nur der Chef des Bundeskanzleramts allein mit den Geheimdienstchefs, ohne Begleiter, ohne Gesprächsprotokoll,gereicht wird ihnen meist ein einfaches Gericht aus der Kantine des Kanzleramts. Am vergangenen Dienstag war Maaßen hier noch mal wie gewohnt dabei, das Treffen soll ganz normal verlaufen sein, ohne Anspielungen auf seine persönliche Situation. Aber womöglich war die Freundlichkeit schon da nur noch gespielt.

Maaßen ging so oft an die Öffentlichkeit wie keiner seiner Vorgänger

Maaßens Zeit an der Spitze des Verfassungsschutzes war vor allem von der zunehmenden Bedrohung durch Islamisten geprägt. Hier hat er oft Schlimmeres verhindern können, etwa als seine Leute rechtzeitig dem Syrer Dschaber al-Bakr auf die Spur kamen, der in Chemnitz im Oktober 2016 den Sprengstoff TATP hergestellt hatte. Oder als sie jüngst in Köln einen Anschlagsplan mit dem Giftstoff Rizin aufdeckten. Gleichzeitig ist Maaßen von Beginn an so viel an die Öffentlichkeit gegangen wie keiner seiner Vorgänger. Offensiv hat er die Verdienste seiner Behörde herausgestrichen, offensiv hat er aber auch jene verfolgt, die ihm die Deutungshoheit darüber streitig machen wollten. Als geheime Daten über den Haushalt des Verfassungsschutzes auf der Internetseite Netzpolitik.org auftauchten, wandte sich Maaßen an die Staatsanwaltschaft: Er zeigte zwei Blogger wegen Landesverrats an.

Der Fall ging bis zum damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hinauf, der sich verständnislos zeigte und für die Pressefreiheit der Blogger starkmachte; der damalige Generalbundesanwalt Harald Range von der FDP verlor über diesen Streit sein Amt.

Wenn nun zwischen Kanzleramt und Maaßen in den vergangenen Wochen eine Kluft sichtbar geworden ist, dann ist dies nicht die Geschichte einer Entfremdung. Man war sich schon immer fremd. In der Welt der Sicherheitsbehörden genießt Maaßen hohes Ansehen, zumindest auf den höheren Hierarchieebenen hört man viel Lob, gerade für seine Haltung gegen die Kanzlerin. Der ehemalige BND-Chef Gerhard Schindler dürfte ein realistisches Bild gezeichnet haben, als er der Bild-Zeitung am Montag sagte, viele dort würden wegen Merkel "heute ihren Dienst mit der Faust in der Tasche" versehen. Maaßen ist jahrelang ihr Fürsprecher gewesen.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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