Süddeutsche Zeitung

Hans-Georg Maaßen :Auf einer Linie mit der CSU

Der Präsident des Verfassungsschutzes agiert immer wieder politisch. Damit ist er schon häufig angeeckt. Aber die politische Landschaft im Bund hat sich zu seinen Gunsten entwickelt.

Von Ronen Steinke

Vor drei Jahren war es kurz mal eng für ihn. Die Karriere von Hans-Georg Maaßen schien auf der Kippe zu stehen. Womöglich hatte der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz überreizt, womöglich hatte er das politische Risiko unterschätzt. In vertraulichen Runden soll er deftige Worte gefunden haben, um Merkels Flüchtlingspolitik zu kritisieren, die er für einen historischen Fehler hielt. Eine breitere Öffentlichkeit bekam zwar nur die Light-Version dieser Kritik zu hören. "Sie wissen, dass mir die hohe Zahl an Migranten Sorge bereitet, deren Identität wir nicht kennen, weil sie ohne gültige Identifikationspapiere einreisen", sagte Maaßen zum Beispiel im Juni 2016. Er saß da auf einer Bühne mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in München. Im Saal brandete an dieser Stelle Applaus auf, im Publikum saßen Hunderte Polizisten. Aber irgendwann wurde es zu viel, angeblich wurde Maaßen ins Kanzleramt von Angela Merkel einbestellt. Es gab eine scharfe Ermahnung und auch den Hinweis darauf, dass seine Amtszeit endlich sei.

Und heute? Von solchem Karriere-Ungemach ist Maaßen, 55, denkbar weit entfernt. Die politische Landschaft im Bund hat sich in der Zwischenzeit zu seinen Gunsten entwickelt, die Riege der Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik ist auch am Kabinettstisch jetzt stärker vertreten. Der parteilose Maaßen, der 2012 von dem damaligen CSU-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ins Amt gebracht worden war, lag schon vor drei Jahren auf einer Linie mit der bayerischen Regierungspartei. Heute führt wieder ein CSUler das Bundesinnenministerium. Besser noch: Es ist sogar der Parteichef, ausgestattet mit einem breiteren Kreuz als der vorherige Amtsinhaber. Und Horst Seehofers Zusammenspiel mit Maaßen, das zeigt sich, funktioniert gut.

Der Innenminister muss sich in diesen Tagen des Vorwurfs erwehren, er stelle sich schützend vor Rassisten. Seehofer hatte lange keinen Kommentar abgeben wollen zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz. Im Hinblick auf die Tötung eines Chemnitzers, für welche die Ermittler Asylbewerber verantwortlich machen, sagte Seehofer: Er verstehe, "dass die Bevölkerung aufgewühlt ist, dass sie empört ist über dieses Verbrechen - und das sollte die Bevölkerung auch wissen, dass man eine solche Empörung nach einem so brutalen Verbrechen versteht". Im Hinblick auf Demonstrationen in Chemnitz, die von der AfD mitorganisiert wurden und bei denen Pegida-Leute vornewegmarschierten, sagte Seehofer außerdem: "Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, als Staatsbürger auch auf die Straße gegangen - natürlich nicht gemeinsam mit Radikalen."

Maaßen ist dem Minister am Freitag zur Seite gesprungen. "Die Skepsis gegenüber Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz wird von mir geteilt", erklärte der Nachrichtendienstler in der Bild-Zeitung. Kurz, die öffentliche Kritik an den Chemnitzer Demonstranten halte er, ähnlich wie Seehofer, für überzogen. Eine solche Aussage ist nichts, was in die Kernkompetenzen eines Inlandsgeheimdiensts fällt. Die Ereignisse in Chemnitz spielten sich auf offener Straße und bei Tageslicht ab. Polizisten haben gefilmt, und sie ermitteln jetzt auch. Maaßen aber, ausgestattet mit der Aura des informierten Fachmanns, fügte der Debatte eine Wendung hinzu, die Seehofer am Freitag gern gesehen haben wird. Und gewiss sprach daraus auch die Überzeugung, dass einigen Chemnitzer Demonstranten durch die Medien unrecht getan werde. "Die Mehrheit der Menschen ist asylkritisch. Es muss möglich sein, das zu äußern." Diese Aussage stammt zwar nicht von Maaßen selbst, sondern von einem seiner Kollegen, dem Verfassungsschutzchef von Mecklenburg-Vorpommern. Aber mancher hat ähnliche Sätze auch von Maaßen im Ohr.

Maaßen ging noch weiter. Seit Tagen tobt im Netz eine giftige Auseinandersetzung darüber, ob die Stimmung in Chemnitz gezielt durch Falschinformationen aufgepeitscht worden ist. Die Vorwürfe richten sich teils gegen die antirassistischen Gegendemonstranten. Ein Vorwurf allerdings hatte bis zu diesem Freitag noch keinen nennenswerten Widerhall gefunden: der Vorwurf, das inzwischen berühmte Video, auf dem Rechtsradikale in Chemnitz hinter Menschen herjagen, die sie für Fremde halten, sei ein Fake. Das legte nun Maaßen nahe. Es lägen "keine Belege" für die Authentizität des Videos vor, sagte er der Bild. Man muss das genau lesen. Das heißt nicht, dass er das Gegenteil belegen könne. Die Ermittler in Sachsen, die es genauer wissen müssen, übrigens auch nicht. "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass das Video nicht echt ist", wies ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden die Aussage Maaßens als Spekulation zurück.

Wozu dann das Ganze? All die Kritik, die ihm am Freitag entgegenschlug, quittierte Maaßen so wie bereits die Kritik an seinen angeblich engen Kontakten zur AfD in den Wochen zuvor: mit Schweigen. Am Freitagabend ließ er eine nichtssagende Pressemitteilung verschicken. Die "Prüfung" hinsichtlich "möglicher Hetzjagden" werde "andauern". Kein Zurückweichen, kein Eingehen auf Kritik, nirgends.

Maaßen blickt auf eine Karriere im Bundesinnenministerium zurück, wo er sich vor allem in der Ausländerpolitik engagiert hat. In einem Gutachten argumentierte er einmal, der Bremer Türke Murat Kurnaz habe sein Aufenthaltsrecht verloren, weil er länger als sechs Monate abwesend war. Kurnaz war nach Guantanamo verschleppt worden. Als die Freie Universität Berlin ihm deshalb eine Honorarprofessur verwehrte, erklärte Maaßen: Der Titel sei ihm "schnurz".

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SZ vom 08.09.2018/saul
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