Handelsstreit:Hop oder Top

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US-Präsident Trump und Chinas Staatschef Xi wollen beim G-20-Treffen über ihren Handelskonflikt reden. Ob sie sich annähern, ist offen: Peking ist zu Zugeständnissen bereit, empfindet aber das von Trump geforderte Tempo als zu hoch.

Von Christoph Giesen und Claus Hulverscheidt, Hongkong/New York

Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass sich die beiden Herren zum letzten Mal getroffen haben. Es war November und schon sehr zugig in Peking. In der völlig abgeriegelten Verbotenen Stadt standen die beiden Präsidenten beieinander. Wo sich sonst Tag für Tag Tausende Touristen drängeln, gab Chinas starker Mann Xi Jinping seinem amerikanischen Kollegen Donald Trump eine private Führung, Geschichtsstunde inklusive. Die chinesische Schrift, dozierte Fremdenführer Xi, sei 3000 Jahre alt. "Ich denke, die ältere Kultur mit 8000 ist Ägypten", gab der Gast aus Washington zurück. "Ägypten ist etwas älter", sagte Xi, "aber die einzige Zivilisation, die ununterbrochen fortbesteht, ist China."

Eine Frotzelei war das, verglichen mit dem, was sich in den Monaten seit dem Treffen in Peking alles ereignet hat. Xi und Trump haben die Welt an den Rand eines Handelskrieges geführt. Die beiden größten Volkswirtschaften haben sich gegenseitig mit Strafzöllen überzogen. Chinesische Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar sind inzwischen betroffen, amerikanische Ausfuhren nach China für 110 Milliarden werden mit einer Zwangsabgabe belegt. Trump wirft China unfaire Handelspraktiken und den Diebstahl geistigen Eigentums vor. Verhandlungen von Unterhändlern sind bisher alle gescheitert. Vor allem in Peking ruht nun die Hoffnung auf einem Treffen der beiden Staatschefs. Diesmal in Buenos Aires. Im argentinischen Sommer.

Am Samstag wollen sie am Rande des G-20-Gipfels miteinander sprechen. Seit Wochen bereiten Diplomaten den Termin vor. Die chinesische Staatspresse ist auffallend leise dieser Tage. Selbst nach dem desaströsen Apec-Gipfel Mitte November in Papua-Neuguinea, auf dem Xi für den Freihandel warb und Trump nicht einmal aufkreuzte, hielt man sich mit Kritik zurück. Für die chinesische Führung ist das Treffen in Buenos Aires ein Scheitelpunkt. Findet man einen endlich einen Deal? Oder verschlechtern sich die amerikanisch-chinesischen Beziehungen erneut?

So richtig einschätzen können sie in Peking den US-Präsidenten nicht, wie so oft. Trump hat im Vorfeld einmal mehr widersprüchliche Signale gesendet. Noch zu Wochenbeginn deutete er eine weitere Verschärfung seines Kurses an und sagte, es sei "höchst unwahrscheinlich", dass er Chinas Wunsch nachkommen werde, die für den 1. Januar geplante Erhöhung der bereits bestehenden Zölle auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar von derzeit zehn auf 25 Prozent auszusetzen. Im Gegenteil: Sollte China nicht einlenken, werde er Lieferungen des Landes im Volumen von weiteren 267 Milliarden Dollar mit Abgaben belegen. Damit wären sämtliche Ausfuhren der Volksrepublik in die Vereinigten Staaten von dem Handelszwist betroffen.

Peking vermag den Amerikaner nicht einzuschätzen, wäre aber bereit zu Zugeständnissen

Die chinesische Führung ist durchaus zu Zugeständnissen bereit. Vor allem beim Handelsdefizit. Staatsfirmen könnten verdonnert werden, mehr in den USA zu bestellen. Anfang November fand in Shanghai extra eine Importmesse statt. Das Signal: Seht wir kaufen ein. Schwieriger wird es, Trumps Wunsch einer raschen Öffnung des chinesischen Marktes nachzukommen. Das geforderte Tempo ist vielen in Peking trotz Xis markiger Reden zum Freihandel zu hoch.

Am Mittwoch legte der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer nach. Präsident Trump habe ihn angewiesen, "alle möglichen Werkzeuge zu prüfen, um die auf Autos verhängten Zölle auszugleichen". Künftig soll ein Aufschlag von 27,5 Prozent für Autos aus chinesischer Produktion anfallen. Die Regierung in Peking wiederum hatte im Sommer die Zölle für Fahrzeuge aus amerikanischer Fertigung um 25 Prozent auf insgesamt 40 Prozent erhöht. Während sich durch die chinesischen Zölle tatsächlich Hunderttausende Fahrzeuge verteuern, ist Lighthizers Ankündigung vor allem Rhetorik. Allenfalls ein paar Liebhaber kaufen in den USA Autos "made in China".

Versöhnlicher gab sich zuletzt Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow. Der Präsident gehe davon aus, "dass die Chancen auf eine Vereinbarung gut sind", sagte er vor Journalisten. "Wie Sie sich vorstellen können, ist dieses Treffen eine wirklich große Sache - es steht sehr viel auf dem Spiel", so Kudlow. Dabei blieb unklar, ob sich hinter der unterschiedlichen Intonierung des Präsidenten und seines Beraters eine Verhandlungsstrategie verbirgt, oder ob es im Weißen Haus wieder einmal unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie man mit China umgehen sollte. Kudlow war erst jüngst hart mit Trumps Handelsberater Peter Navarro aneinandergeraten, der zu den schärfsten Kritikern der Volksrepublik zählt.

Für Trump geht es zudem um die Frage, wie weit er sich im Streit mit China auch innenpolitisch bewegen kann. Allzu große Zugeständnisse an Peking kann er sich schon deshalb nicht erlauben, weil ihm das sowohl in der eigenen Partei, als auch bei den Demokraten als Schwäche ausgelegt werden würde. Gerade die Demokraten, die im kommenden Jahr im Repräsentantenhaus erstmals seit Jahren wieder die Mehrheit stellen werden, stehen China noch kritischer gegenüber als mancher Republikaner.

Eines Tages wird der Gipfel von Buenos Aires vielleicht in den Geschichtsbüchern stehen. Weil ein Deal gefunden wurde oder gerade, weil man sich nicht einigte.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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