Handelsabkommen Ceta:Auf Schlingerkurs

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Die Sozialdemokraten verlangen Nachbesserungen am umstrittenen Handelsabkommen mit Kanada. Ob sich Änderungen ohne Weiteres umsetzen lassen, bleibt allerdings ungewiss.

Von Michael Bauchmüller und Alexander Mühlauer, Berlin/Brüssel

Für Sigmar Gabriel ist die Sache erst einmal gelaufen. Der SPD-Chef hat die Mehrheit seiner Partei für das Handelsabkommen der EU mit Kanada sicher. Das ändert zwar nichts an der Kritik der Parteilinken und von Umweltorganisationen - aber als zuständiger Minister hat er nun freie Bahn. Was bedeutet die SPD-Entscheidung für Ceta?

Was verlangt die SPD?

"Transparenz und weiterer Dialog sind unerlässlich", heißt es gleich zu Beginn des SPD-Beschlusses. Den weiteren Dialog aber soll nun vor allem das Europäische Parlament organisieren, "in einem ausführlichen Anhörungsprozess mit den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft". Wo sie noch Bedarf an Nachbesserungen sehen, haben die Sozialdemokraten auch schon aufgeschrieben. So wollen sie verhindern, dass durch Ceta ein "Zwang zu Privatisierung und Liberalisierung" bei öffentlichen Aufgaben wie etwa der Wasserversorgung entsteht. Bislang regelt eine Liste, welche Bereiche davon ausgenommen sind. Der SPD reicht das nicht - sie fürchtet, dass die Liste Schlupflöcher lässt. Auch dem Investitionsgerichtshof, der künftig Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten verhandeln soll, trauen sie noch nicht. So müsse noch geklärt werden, "ob die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidungen ausreichend gewährleistet ist". Mit Misstrauen begleiten sie auch die Kooperation, die Kanada und EU in Sachen Regulierung verabreden wollen. Hier müsse klargestellt sein, "dass hierdurch der politische Gestaltungsspielraum von Parlamenten und Regierungen nicht eingeschränkt werden darf".

Lässt sich der Vertrag noch ändern?

Das dürfte schwer werden. Der Vertragstext ist seit Monaten ausgehandelt. In letzter Minute war noch der Investitionsgerichtshof hineinverhandelt worden, auch auf Betreiben des deutschen Wirtschaftsministeriums. Er ersetzte die ursprünglich geplanten privaten Schiedsgerichte. Allerdings lassen sich Dinge nun noch durch Zusatzerklärungen regeln, denen beide Seiten zustimmen. Solche Klärungen spielen dann eine Rolle, wenn es Streitigkeiten über die Auslegung des Abkommens gibt. Erst am Wochenende hatten sowohl die EU-Kommission als auch die kanadische Regierung erklärt, dass sie zu solchen zusätzlichen Vereinbarungen bereit sind.

Besänftigt das die Kritiker?

Nein. Aus Sicht etwa von Umweltgruppen lassen sich die unangenehmen Folgen von Ceta nicht durch Zusatzerklärungen abwenden. Gabriel habe den Konvent "mit Versprechungen und Vertröstungen" auf seine Seite gezogen, kritisierte Hubert Weiger, Chef des Umweltverbands BUND. An den "Sonderklagerechten" für Konzerne und den Gefahren für Umweltstandards ändere das nichts. Auch der Deutsche Kulturrat hält wenig von der Übereinkunft. Werde Ceta erst angewendet, schaffe dies "Fakten, die für den Kulturbereich höchst gefährlich sind", sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Kulturrats. Zuletzt hatten hierzulande Zehntausende gegen Ceta und das US-Pendant TTIP demonstriert.

Hoffnung am Hafen: Ceta könnte auch im Container-Terminal Eurogate in Hamburg das Wirtschaftswachstum ankurbeln. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Was bedeutet das alles für TTIP?

Der SPD-Konvent hat sich mit der großen Schwester von Ceta nicht befasst. Allerdings gilt das Abkommen mit den USA als deutlich unbeliebter, zumal es nach jetzigem Stand weitreichender sein könnte als der Vertrag mit Kanada. Bisher ist TTIP noch nicht fertig verhandelt, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dies vor Ende der Obama-Amtszeit nicht mehr gelingen wird. Der SPD-Chef hatte es zuletzt schon öffentlich abgeschrieben. Ob es gelingen würde, TTIP etwa ohne einen Investitionsgerichtshof mit öffentlich bestellten Richtern zu beschließen, ist seit dem Konvent mehr als fraglich. Genau davon wollen die USA aber nichts wissen.

Wie geht es nun weiter mit Ceta?

Darüber beraten die EU-Handelsminister am Donnerstag und Freitag in Bratislava. Mit dabei sind EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland. Sie sollen Vorschläge machen, welche "formalen Klarstellungen" in einer "rechtsverbindlichen Erklärung" gemacht werden könnten. Der Ministerrat soll dann die Unterzeichnung beschließen. Geplant ist diese für Ende Oktober, dann findet der EU-Kanada-Gipfel in Brüssel statt.

Wann tritt Ceta in Kraft?

Die Handelsminister können festlegen, welche Teile des Abkommens vorläufig angewendet werden dürfen. Dies bedeutet, dass das Abkommen, sobald das Europäische Parlament zugestimmt hat, vorläufig in Kraft tritt - aber nur jene Teile, die nicht der Zustimmung nationaler Parlamente bedürfen. Geht es nach der EU-Kommission, soll es im Frühjahr 2017 soweit sein.

Für die vorläufige Anwendung gibt es in den EU-Verträgen keine zeitliche Begrenzung. Das Provisorium könnte zum Dauerzustand werden, sollte sich die Ratifizierung in nationalen Parlamenten schwierig gestalten. In Belgien hat sich bereits ein Regionalparlament quergestellt. In den Niederlanden könnte es zu einem Referendum kommen - wie schon beim Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. In Österreich droht derweil die Kanzlerpartei SPÖ Ceta noch blockieren: Fast 90 Prozent hatten sich bei einer Mitgliederbefragung dafür ausgesprochen, dass Österreich der vorläufigen Anwendung von Ceta nicht zustimmen solle.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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