Handel:Advent XXL

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Mit 28 Tagen ist die Vorweihnachtszeit in diesem Jahr besonders lang, der Einzelhandel erwartet Rekordumsätze.

Von Jan Bielicki

Sehr glaubensfest soll Konrad nicht gewesen sein, "fide non multum firmus", beschrieb ein zeitgenössischer Kritiker den deutsch-römischen Kaiser aus dem Geschlecht der Salier. Tatsächlich war der Herrscher wohl ziemlich genervt, als er vor 978 Jahren bereits am 26. November in Straßburg Advent feiern sollte. Prompt ließ er nach einem Ausbruch kaiserlichen Unwillens, der als Straßburger Adventsstreit in die Kirchengeschichte einging, ein paar Bischöfe zusammenscheuchen, die im pfälzischen Kloster Limburg die Wünsche ihres weltlichen Herrn in einen Synodalbeschluss fassten: Seither beginnt der Advent an einem Sonntag zwischen dem 27. November und dem 3. Dezember, je nachdem, auf welchen Wochentag der erste Weihnachtstag fällt.

In diesem Jahr ist das ein Sonntag, damit beginnt mit der ersten Vesper an diesem Samstagabend ein Advent in seiner längstmöglichen Form: 28 Tage dauert das Warten aufs Christkind, jedenfalls nach kirchlicher Tradition. Denn draußen in der Warenwelt ist das Christkind natürlich längst da. Schon am Freitagabend hat es von der Empore der Frauenkirche aus den Nürnberger Christkindlesmarkt eröffnet, auch in anderen Städten ist der Budenzauber bereits losgegangen. Für die Händler auf den Märkten zählt jeder Tag, in dem Geschäft geht es um Milliarden: Laut Schätzung des britischen Centre for Retail Research sollen 2014 bei 270 Millionen Besuchen auf deutschen Weihnachtsmärkten 2,5 Milliarden Euro in die Kassen der Händler geflossen sein.

Hans-Peter Arens, der Präsident des Bundesverbands Deutscher Schausteller und Marktkaufleute, relativiert den Einfluss dieses Advents XXL: "Was bis Heiligabend in der Kasse klingelt, hängt nicht von der Länge des Advents ab", sagt er und verweist auf höhere Mächte: "Das ist eine Wetterfrage." Beim Handelsverband Deutschland erwartet man in diesem Jahr zwar einen Rekord-Weihnachtsgeschäftsumsatz von gut 91 Milliarden Euro, doch die Einzelhändler schauen, abgekoppelt vom Advent, dabei allein auf die Bilanzen von November und Dezember. In diesen beiden Monaten verkauft auch der Glühwein-Branchenführer Gerstacker aus Nürnberg 70 Prozent seines stimmungshebenden Heißgetränks, laut Unternehmen "mehrere Millionen Liter".

Bei den meisten Zahlen zum ökonomischen und ökologischen Fußabdruck des Advents scheint ohnehin eher der Punsch der Vater des Gedankens zu sein. So rechnet eine Ökostrom-Firma hoch, dass die Deutschen in dieser Weihnachtssaison 9,5 Milliarden Lichter leuchten lassen, die angeblich so viel Strom fressen wie eine 270 000-Einwohner-Stadt im Jahr verbraucht. Doch auch der Stromverbrauch hängt weniger von der Länge des Advents ab als vom Einsatz energiesparender LED-Lämpchen. Die vorweihnachtliche Straßenbeleuchtung rund um Hamburgs Gänsemarkt etwa benötigt laut Stadt nur 875 Watt, früher waren es fast 40 000.

Wer nicht genug vom Advent bekommen kann, sollte nach Mailand fahren. Dort richtet sich die Dauer der Vorweihnachtszeit nämlich nach der Liturgie des Stadtheiligen Ambrosius: Das Christkind steht erst vor der Tür, wenn das sechste Lichtlein brennt.

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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