Profil:Han Duck-soo

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Han Duck-soo scheint sich heute selbst zu fragen, ob er dem Präsidenten nicht mehr hätte entgegensetzen müssen. (Foto: Lee Jin-man/AP)

Der Premierminister Südkoreas wird nach dem Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon Suk-yeol nun Interimspräsident. Er gilt als unabhängig und ausgleichend – den Putsch aber konnte er nicht aufhalten.

Von Thomas Hahn

Auch in den USA kam es gut an, dass Südkoreas Parlament am Samstag den Präsidenten Yoon Suk-yeol suspendierte und Premierminister Han Duck-soo fürs Erste an die Spitze des Tigerstaates rückte. Die Regierung in Washington fühlte sich überrumpelt, als Yoon am 3. Dezember versuchte, die Opposition per Kriegsrecht auszuhebeln. Ausgerechnet Südkorea, der wichtigste US-Partner im Umgang mit der amerikafeindlichen Parteidiktatur Nordkorea, zeigte Symptome eines Rückfalls in die schlechte alte Zeit vor 1987, als in Seoul autoritäre Präsidenten regierten. Zumal der erste Versuch, Yoon des Amtes zu entheben, eine Woche zuvor an dessen konservativer Partei PPP gescheitert war.

Jetzt sieht die Lage wieder geordneter aus: Yoon hat keine Macht mehr, bis das Verfassungsgericht über seinen Fall entscheidet. Und Han Duck-soo, 75, ist als Vernunftmensch und erfahrener Politiker bekannt. Fachleute klingen zuversichtlich. Sydney Seiler, Ex-Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienst-Rats, nennt Han „den richtigen Mann zur richtigen Zeit“.

Ein ruhender Pol in der Mitte der gespaltenen Politik-Landschaft

Han Duck-soo steht für den Typ des vermeintlich drögen Karriere-Bürokraten. Er braucht kein Rampenlicht, er muss auch nicht immer recht haben. Sein erstes Interesse ist der Dienst am Staat und die bestmögliche Lösung eines Problems. Er ist so etwas wie ein ruhender Pol in der Mitte der gespaltenen Politiklandschaft Südkoreas, unabhängig, ausgleichend – und sogar weltgewandt. Han Duck-soo promovierte in den Achtzigerjahren in Wirtschaftswissenschaften an der Harvard-Universität und spricht perfekt Englisch.

Weder gehört Han zu den alten liberalen Freiheitskämpfern, die den Geist der Demokratischen Partei (DP) prägen, noch ist er bei der PPP, die traditionell aufseiten der Machtelite steht. Schon zu Zeiten der Diktatur war Han Beamter. Nach 1987 hatte er hohe Posten in verschiedenen Regierungen. Unter anderem war er Botschafter in den USA. Premierminister war er schon mal von April 2007 bis Februar 2008 unter dem liberalen Präsidenten Roh Moo-hyun, der ein ganz anderer Politiker war als der rechte Ex-Staatsanwalt Yoon Su-yeol.

Er wirkte immer wieder wie ein machtloser Verwalter

Nicht jeder kann ein Held des Widerstands sein. Allerdings scheint sich Han Duck-soo dieser Tage selbst zu fragen, ob er bei Yoons Palastrebellion nicht mehr kontra hätte geben müssen. In Südkorea ist der Premierminister der erste Assistent des Präsidenten, er setzt dessen Politik um. Seit Han im Mai 2022 diese Rolle für Yoon übernahm, wirkte er immer wieder wie der machtlose Verwalter des herrischen Yoonschen Stils. Und als Yoon dem Kabinett am späten Abend des 3. Dezember mitteilte, dass er das Kriegsrecht ausrufen werde, konnte Han ihn nicht aufhalten.

Die Sitzung im Präsidialamt war eine Formalie. Das Kabinett hatte nicht das Recht, Yoon zu stoppen, und Yoon hatte seinen Plan gefasst. Laut Innenministerium dauerte die Sitzung nur fünf Minuten und begann um 22.17 Uhr; von 23 Uhr an galt der Erlass mit dem Verbot aller politischen Aktivitäten, den das Parlament zwei Stunden später einstimmig abschmetterte. Alle seien gegen die Kriegsrechtserklärung gewesen, sagte Han am Mittwoch im Parlament, er auch. Es nützte nichts: „Ich werfe mir vor, dass es mir trotz meiner konsequenten Bemühungen nicht gelungen ist, den Präsidenten aufzuhalten.“

Han Ducks-soo hat dieses Jahr schon mal seinen Rücktritt angeboten. Im April war das, nach der Parlamentswahl, bei der die PPP für die Arbeit der Yoon-Regierung bestraft wurde. Yoon ließ sich davon nicht anfechten, Han schon, aber Yoon nahm Hans Rücktritt nicht an. Und jetzt? Die Opposition könnte auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen Han einleiten, weil er Yoons Putsch nicht verhinderte. Aber das brächte nur neue Unruhe. Und Han will bleiben. Man nimmt ihm ab, dass es ihm dabei nicht um die Macht geht, sondern ums Land. Bei seiner ersten Ansprache als Interimspräsident versprach er, das Chaos aufzuräumen und Vertrauen in Südkorea zurückzugewinnen. Hand Duck-soo sagte: „Ich glaube, dies ist die letzte und wichtigste Mission meines langen Lebens im öffentlichen Dienst.“

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