Sudan:Der Mann, den das Militär fürchtet

FILE PHOTO: Sudan's Prime Minister Abdalla Hamdok addresses the media at the Chancellery in Berlin

Sudans Premierminister Hamdok - hier bei einem Besuch in Berlin im Februar.

(Foto: HANNIBAL HANSCHKE/REUTERS)

Weil Premierminister Abdalla Hamdok den Generälen offenbar zu unbequem wurde, ist er nun unfreiwillig Gast der Putschisten - angeblich zu seiner eigenen Sicherheit.

Von Arne Perras

Was könnte einladender klingen als der Satz: Be my guest! Gastfreundschaft wird im Sudan großgeschrieben, obgleich die jüngste Episode zu diesem Thema doch von bitterer Ironie ist. Da setzte sich der oberste General, der gerade geputscht hatte, vor die aufgebauten Mikrofone und erklärte, dass der Premierminister Abdalla Hamdok bei ihm zu Hause weile, als sein Gast. "Zu seiner Sicherheit", wie der General noch eilig anfügte.

Wer solche Beschützer hat, ist nicht zwingend zu beneiden. Aber es ist auch nicht möglich, Hamdok zu fragen, wie er diese Stunden erlebt. Man hat von ihm kein Wort vernommen, seitdem Soldaten am frühen Montagmorgen sein Haus umstellten, den Regierungschef verschleppten, um ihn dann dem Anführer des Coups auszuhändigen. Inzwischen durfte der entmachtete Premier immerhin zurück in sein Haus. Doch Hamdok sei noch immer "sehr stark bewacht", übermitteln seriöse Quellen.

Die Generäle fürchten einen Politiker wie ihn, der kurz vor seiner Verschleppung offenbar noch die Botschaft absetzen konnte, das Volk möge friedlich die "Revolution verteidigen". Damit ist der Volksaufstand gemeint, der erstmals 2018 Fahrt aufnahm und Hamdok einige Monate später an die Macht spülte.

Ein gefragter Mann, mit guten Kontakten in den Westen

Die Massenproteste waren damals so gut organisiert, dass sie den Sturz des Diktators Omar al-Baschir herbeiführten. Allerdings geschah auch dies durch einen Putsch des Militärs. Später erklärte es sich bereit, die Macht mit den aufständischen zivilen Kräften zu teilen, bis demokratische Wahlen über die Zukunft entscheiden.

In der Zeit der sogenannten Transition war Hamdok ein gefragter Mann. Er pflegte gute Kontakte in den Westen, und die waren wichtig, um Khartum aus der Isolation zu führen. Doch der Job für Hamdok war auch schwierig. Alle wussten, dass die Armee viel zu sehr verstrickt war in Geschäfte und den Machtapparat, als dass sie klag- und kampflos den Rückzug aus der Politik vorbereiten würde.

Was Hamdok nun widerfährt, steht symbolhaft für die Wirren eines riskanten Coups. Der Premier bleibt ein Gefangener und muss - bis zum Beweis des Gegenteils - als prominenteste Geisel der Armee gelten. Da ist es auch egal, dass General Abdel Fattah Burhan nun so tut, als wolle er die Demokratisierung nur wieder aufs richtige Gleis setzen. Offenbar ist der Premier dem Militär zu unbequem geworden.

Viele Männer in Uniform sind sehr reich geworden

Hamdok, 1956 in Kordofan geboren, studierte Wirtschaft in Khartum und Manchester. In den Achtzigerjahren engagierte er sich in der kommunistischen Partei, trat aber wieder aus. Er arbeitete als leitender Beamter und war später für internationale Organisationen tätig. Als Regierungschef seit 2019 hat er beachtliche Fortschritte angebahnt, ebnete den Weg für eine Entschuldung und mobilisierte Milliardenhilfen für das von Kriegen zerrüttete Land.

Diejenigen, die Hamdok kennen, beschreiben ihn als umgänglichen und offenen Mann, der sich im Land einige Beliebtheit erworben hat. Allerdings ist er keiner, der mitreißende Reden hält. Offenbar konzentrierte er sich so sehr auf die internationale Bühne, dass er es gelegentlich versäumte, den Leuten zu Hause überhaupt zu erklären, was sie noch alles vorhaben.

Es ist nicht bekannt, dass es ein besonderes Zerwürfnis zwischen Hamdok und General Burhan gegeben hätte. Klar ist aber, dass führende Kräfte im Militär es nicht gerne sehen, wenn eine Regierung diverse Geschäfte ausleuchtet, die Männer in Uniform sehr reich gemacht haben. Womöglich kam der Regierungschef dem engen Geflecht aus Armee, Handel und Industrie zu nahe.

Wie es nun weitergeht mit dem Premier, weiß niemand. Der Westen fordert Hamdoks Freilassung, doch General Burhan pflegt gute Kontakte nach Saudi-Arabien und in die Emirate; diese Staaten stehen im Notfall mit Finanzspritzen bereit, sollte der Westen im Streit um den entmachteten Premier weiter Druck machen.

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