Hamburg:Wahlkampf im Gegenwind

FDP-Spitzenkandidatin stellt Großplakat zur Wahl vor

Als „erste Vernünftige“ präsentierte sich die Hamburger FDP-Spitzenkandidatin Anna von Treutenfels-Frowein im Wahlkampf.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

Die Druckwelle aus Erfurt könnte die Hamburger FDP aus der Bürgerschaft tragen. Auch die Liberalen in der Hansestadt haben schon ihre Erfahrungen mit der Unterstützung von Rechtsaußen gemacht.

Von Ralf Wiegand, Hamburg

Bisher sah es so aus, als würde in Hamburg die einzige Wahl eines Landesparlaments in diesem Jahr anstehen. Seit dem Thüringen-Beben, dem eine Neuwahl dort folgen könnte, ist das nicht mehr sicher. Sicher ist aber, dass der Wahlkampf in der Hansestadt, wo am 23. Februar über die Bürgerschaft abgestimmt wird, nun ein großes Thema hat: die Druckwelle aus Erfurt. Sie könnte auch die politische Landschaft im Norden verändern.

Carl Cevin-Key Coste, 23, Spitzenkandidat der Jungen Liberalen in Hamburg und auf Platz fünf der FDP-Liste, konnte am Mittwochabend einen Eindruck davon gewinnen, was auf seine Partei zukommt: Coste filmte mit seinem Handy aus der Parteizentrale die Proteste vor der Tür. Wie in anderen Städten hatten sich auch in Hamburg Hunderte Menschen aufgemacht, um ihren Unmut über die Rolle der FDP bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen auf der Straße auszudrücken. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagte Coste, er habe sich zunächst der Demonstration stellen wollen, "ich hatte sogar schon ein Megafon organisiert." Die Polizei habe ihm aber abgeraten. Coste ahnt, was Thüringen für den Wahlkampf bedeutet. Schon am Donnerstag, als er eine Stadtteilschule besuchte, sei es "das große Thema" gewesen: "Es hilft uns auf jeden Fall nicht."

2001 hievten Liberale und CDU gemeinsam den Rechtsaußen Ronald Schill in die Regierung

Die FDP ist in der Hansestadt seit jeher eine On-Off-Partei, mal drin, oft draußen. Die jüngste Umfrage von infratest dimap für den NDR sieht sie bei nur noch fünf Prozent - und die Wahlabsichten wurden vor dem Erfurter Erdbeben eingeholt. Für die Elb-FDP ist die Distanzierung von jedweder Sympathie für die AfD daher von existenzieller Bedeutung. Die Spitzenkandidatin in Hamburg, Anna von Treuenfels-Frowein, war eine der ersten Liberalen, die sich klar von den Vorgängen in Thüringen distanzierte: "Unerträglich" sei für sie die Wahl von Thomas Kemmerich, twitterte sie unmittelbar nach der Abstimmung im Erfurter Landtag und forderte den Parteikollegen alsbald auf zurückzutreten.

Die Hamburger Liberalen sind gebrannte Kinder, was die Mitverantwortung für politische Dammbrüche angeht - und deren Folgen. 2001 trug die FDP als kleinster Partner eines Dreierbündnisses dazu bei, dass die SPD nach jahrzehntelanger Herrschaft das Chefbüro im Rathaus räumen musste. Dazu ging sie, naheliegend, eine Allianz mit Ole von Beust (CDU) ein, Schwarz-Gelb brauchte für den erzwungenen Machtwechsel aber die Stimmen des Rechtspopulisten Ronald Schill. Anders als heute in Erfurt paktierten CDU und FDP in Hamburg damals offen mit der rechten Schill-Partei, das Ziel aber war das gleiche: die Roten, obwohl stärkste Kraft, zu verhindern. Die SPD hatte 36,5 Prozent der Stimmen bekommen, die FDP gerade mal 5,1, die CDU lag bei 26,2. Schill hatte mehr als 19 Prozent zu bieten. Später warf Beust den rechten Scharfmacher Schill aus der Regierung und ging aus der Neuwahl mit absoluter Mehrheit hervor - die FDP aber flog für sieben Jahre aus dem Parlament.

Die Grünen zählen 43 Anträge der AfD in der Bürgerschaft, denen die FDP zugestimmt habe

Auch aus diesem Grund beobachten jetzt etwa die Hamburger Grünen sehr genau, wie sich die lokale CDU und FDP zu Thüringen verhalten. Die Distanzierung, sagte die grüne Landeschefin Anna Gallina der SZ, sei "nur so semigut gelungen". So habe etwa der Hamburger Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries (CDU) auf Facebook geschrieben, für die Abwahl "eines Ministerpräsidenten der SED-Erben" müsse man sich "nicht schämen", Zurechtweisungen von SPD und Grünen hätten "keinerlei Legitimation". Die Bürgerschaftskandidatin Katharina Schuwalski (CDU) bezeichnete die Wahl Kemmerichs auf Twitter gar als "Glück", die FDP habe "den Mut, den Mike Mohring nicht hatte".

Für die Grünen bietet Thüringen auch die Chance, sich von der SPD abzugrenzen, die ihr enteilt: Laut infratest dimap steht es derzeit 34 zu 27. Während die Grünen sich klar zu einer Fortsetzung der rot-grünen Koalition bekennen, habe sich die SPD, so Gallina, ihre Optionen offengelassen - etwa für ein vor allem von der CDU erträumtes schwarz-rot-gelbes Bündnis. "Die SPD muss sich fragen lassen, ob diese Möglichkeit jetzt noch so toll ist", sagte Gallina und erwähnte dabei 43 Anträge der AfD in der Bürgerschaft, der die FDP zugestimmt habe. Mit Blick auf die historische Schill-Episode stellte Gallina fest: "Es gibt eine große Flexibilität der CDU und FDP zum rechten Rand hin."

Außerdem beklagte sie die "undifferenzierte Gleichmacherei" beider Parteien, wenn Linke und AfD permanent in einen Topf geworfen würden. Tatsächlich distanzierten sich der CDU-Landesvorsitzende Roland Heintze und Spitzenkandidat Marcus Weinberg in einem gemeinsamen Statement mit diesen Worten von der Wahl Kemmerichs: "Die CDU Hamburg hat eine klare Haltung: Es darf keine Zusammenarbeit und kein Paktieren mit der AfD und der Linken geben. Ende der Durchsage."

Dem Jung-Liberalen Carl Cevin-Key Coste hat auch das nicht gefallen, "Kemmerich ist nun mal von den Rechten gewählt worden, nicht von den Linken." Coste muss nun Wahlkampf im strammen Hamburger Gegenwind machen, am 18. Februar trifft er bei einem Auftritt auch auf Parteichef Christian Lindner - sollte der dann noch Parteichef sein. "Ich habe sicher ein paar Fragen an ihn."

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