Bürgerschaftswahl:Tschentscher gewinnt Hamburg-Wahl

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Peter Tschentscher freut sich über das Abschneiden seiner SPD in Hamburg, Ehefrau Eva-Maria klatscht. (Foto: Lisi Niesner/Reuters)

Manche Dinge ändern sich nicht: Hamburg wird auch weiterhin SPD-regiert bleiben. Die Frage ist nur, welchen Partner der Erste Bürgermeister sich suchen wird.

Von Jana Stegemann, Hamburg

Friedrich Merz hatte Freitagabend einen dringenden Wunsch: Der künftige Senat in Hamburg solle bitte ohne Beteiligung der Grünen sein, sagte der CDU-Chef und wohl nächste Kanzler beim Wahlkampfabschluss der Hamburg-CDU in einem Kreuzfahrtterminal an der Elbe. Er habe noch nie eine Kreuzfahrt gemacht, betonte Merz, „und dafür werde ich wohl die nächsten Jahre auch keine Zeit haben“. Sein Wunsch für Hamburg sei „eine Regierung, die im Bundesrat bei unseren Plänen zur Steuerpolitik konstruktiv mitgeht“. Jede Landesregierung, an der Grüne beteiligt sind, „macht diesen Weg schwer“.

An diesem Sonntag haben die Hamburgerinnen und Hamburger eine neue Bürgerschaft gewählt. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 68 Prozent, Briefwahlstimmen schon eingerechnet.

Das, was im Bund wahrscheinlich ist, ein Regierungsbündnis aus SPD und CDU, wäre rechnerisch nach der Bürgerschaftswahl auch in Hamburg möglich: Die SPD kam laut dem vorläufigen Endergebnis auf etwa 33,5 Prozent, die CDU auf 19,8, was Platz zwei und ein deutlicher Zuwachs von mehr als acht Prozentpunkten im Vergleich zur Bürgerschaftswahl 2020 ist.

Tschentscher will erst mal mit den Grünen reden

Die Menschen in Hamburg hätten einen „Richtungswechsel gewählt, gerade in der inneren Sicherheit, der Verkehrs- und Sicherheitspolitik“, sagte der Landes- und Fraktionsvorsitzende sowie CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering, 40, nach den ersten Prognosen. Er biete der SPD ein „pragmatischeres Regieren an, als es die Grünen zuletzt getan haben“, so Thering.

Allerdings gibt es einen Mann, der darauf gar nicht so erpicht ist: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, 59, freute sich darüber, „dass wir eine so klare demokratische Mitte haben“. Er würde allerdings lieber mit einer rot-grünen Koalition und seiner Stellvertreterin von den Grünen, der aktuellen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, 48, weiterregieren: „Das wäre meine Priorität“, sagte Tschentscher in der ARD. Er spreche aber auch mit der CDU. Im Wahlkampf hatte Tschentscher Thering zuletzt eine „hamburgfeindliche und zukunftsfeindliche Blockadehaltung“ vorgeworfen. Tschentscher weiß seit Sonntag um 18 Uhr, dass er nun zwei Optionen hat: Es würde sowohl für ein Bündnis mit der CDU als auch für eine Koalition mit den Grünen reichen.

Tschentscher bekommt in Umfragen Zustimmungswerte von knapp 60 Prozent

Lange sah es aus, als wäre die Fortsetzung von Rot-Grün ohnehin ausgemachte Sache, der Bürgerschaftswahlkampf plätscherte gemächlich dahin – bis zum 23. Februar. Mit dem Höhenflug der Linkspartei bei der Bundestagswahl stieg auch die Spannung in der Hansestadt. Seit dem gemeinsamen Bundestagsvotum von Union und AfD über eine verschärfte Asylpolitik bekommt die Linke starken Zulauf, besonders bei jungen Menschen.

Zuletzt hatten die Grünen in Hamburg einige Prozentpunkte eingebüßt, schließlich kamen sie auf 18,5 Prozent. 2020 hatten sie noch 24 Prozent erreicht. Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner sagte im ZDF, die Verluste der Grünen in Hamburg seien „Nachwehen der Bundestagswahl“. Politikwissenschaftler erklären sie auch mit dem Erstarken der Linken. Hamburg hat traditionell eine starke linksalternative Szene, bei der Bundestagswahl kam die Linke hier auf 14,4 Prozent, eroberte ganze Stadtteile. Am Sonntag nun landete sie bei 11,2 Prozent.

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Dass Tschentscher Erster Bürgermeister bleibt, ist sicher, weil die SPD entgegen dem Bundestrend in Hamburg noch Volkspartei ist. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch freute sich sehr über den Wahlsieg: „Wir sehen, dass die SPD auch Wahlen gewinnen kann. Das macht Mut für die gesamte SPD in Deutschland." Seit 14 Jahren regiert die SPD Hamburg, seit 2015 mit den Grünen. Die Mehrheit der Menschen in Hamburg ist mit der Arbeit des Senats Umfragen zufolge zufrieden; Tschentscher allein bekommt Zustimmungswerte von knapp 60 Prozent. Mit Ende der nächsten Legislaturperiode wäre er der am längsten regierende Erste Bürgermeister in Hamburgs Geschichte. 2018 hatte er Olaf Scholz abgelöst, der als Finanzminister nach Berlin ging.

Die prägenden Wahlkampfthemen: Verkehr, Wohnen, Wirtschaft

Beim Triell des Hamburger Abendblatts hatte Tschentscher gesagt, dass er und seine Stellvertreterin nicht „gegeneinander, sondern parallel“ Wahlkampf machten. Anders als im Rest von Deutschland ging es hier kaum um Migration – sondern vor allem um Verkehr, bezahlbaren Wohnraum und Wirtschaft.

Einig sind sich die Spitzenkandidaten darin, eine Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen. Deren Spitzenkandidat Dirk Nockemann war mal SPD-Mitglied, wechselte dann in die Partei des Rechtspopulisten und damaligen Zweiten Bürgermeisters Ronald Schill. Anfang dieses Jahrtausends war Nockemann knapp ein Jahr lang Innensenator.

Als AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel vor Kurzem auf Einladung der AfD-Fraktion im Hamburger Rathaus sprach, demonstrierten mehr als 16 000 Menschen gegen ihren Auftritt. Die in Teilen rechtsextreme Partei konnte ihre Werte in Hamburg den Umfragen zufolge dennoch ausbauen. Bei der Bürgerschaftswahl 2020 hatte die AfD es nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft – nun liegt sie bei 7,5 Prozent. Nockemann sagte am Abend, die AfD sei „überhaupt nicht frustriert“ und habe es „schwer in Hamburg“. Als Grund dafür gab er „medialen Gegenwind“ an.

Anders als SPD, Grüne, CDU, AfD und Linke verpassen FDP und BSW den Einzug in die Bürgerschaft.

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